Renate Bergmann ist stolze 82 Jahre alt, sie lebt in Berlin und hat bereits vier Ehemänner überlebt. Als sie sich die Hüfte bricht, muss sie sich im Krankenhaus einer OP unterziehen. Und gleich vom Krankenhaus wird sie in eine Reha-Klinik gebracht, damit es mit dem Laufen und der neuen Hüfte wieder klappt. Eine aufregende Zeit für Renate Bergmann.
So sieht Renate Bergmann das: „Neulich haben wir auch Skeip probiert. Das ist ein blaues Zeichen mit einem S auf dem Händi. S für Skeip. Nee, wartense, Skype schreibt man das. Ich muss das schon richtig tippen, sonst schimpft Stefan wieder. Das ist Fernsehtelefonieren. Eine ganz verrückte Sache. Man ruft sich an, aber nicht über Telefon, sondern über Onlein, es kostet nichts, und man kann sich sehen und winken. Es ist eine verrückte Zeit.“
Das Rentnerleben in Berlin ist nicht einfach. Renate Bergmann macht das Beste daraus. Dank Neffe Stefan ist sie „onlein“ und mischt bei Twitter und „Fäßbock“ mit. Dort hat sie eine rege Fangemeinde. Ihre Freunde Gertrud und Kurt und Ilse sind nicht so modern eingestellt. Die sind ja teilweise schon mit dem neuen Fernsehgerät überfordert.
Ihre vier Ehegatten sind allesamt bereits dahin geschieden. Will sie all die Gräber auf den verschiedenen Friedhöfen gießen ist sie mehrere Stunden unterwegs. Damit allein bekommt man aber keinen Tag rum. Also besucht sie vornehmlich mit Freundin Gertrud Beerdigungen und den dazugehörigen Leichenschmaus. Immer die Tupperdose im Anschlag, um die potentiellen Reste des Buffets nicht verkommen zu lassen.
Als Dauersingle Stefan endlich eine Frau findet und in den Hafen der Ehe schippert, lässt seine Tante es sich nicht nehmen und organisiert fleißig drauf los. Leider endet die Feier regelrecht Knall auf Fall: Renate Bergmann stürzt und bricht sich die morsche Hüfte.
Es folgen Tagen und Wochen im Krankenhaus in denen die fidele Rentnerin wieder allein laufen lernen muss. Gleich anschließend geht es in Kur … Moment, das heißt ja jetzt Reha! Leider kommt Renate nicht wirklich weit raus aus Berlin. Das hat einen Vorteil: Ihre Freunde können sie jederzeit besuchen. Der Nachteil: Ihre Freunde können sie jederzeit besuchen. Denn eigentlich hat sie ja gar keine Zeit. All die Anwendungen wie Ball spielen, singen, Schlammpackungen, etc. Dienen die wirklich alle dazu sie wieder geschmeidiger in der Hüfte zu machen? Renate ist skeptisch.
Mit spitzer Zunge und treffenden Worten berichtet die Online-Omi über ihre Leben und ihre Freunde, über ihren Unfall, die Genesung und all die vielen Menschen, denen sie im Laufe dessen begegnet.
Witzig und absurde Ansichten einer Berliner Rentnerin
Renate Bergmann ist ein Kind ihrer Zeit. Alles was von ihrer Norm abweicht, wird mit spitzer Zunge attackiert. Seien das die Nachbarinnen, die eigene Tochter oder die Schwestern in der Reha. Das ist beim Lesen sehr unterhaltsam und eben oft unter der Gürtellinie. Letztendlich würde ich nicht neben Renate Bergmann wohnen wollen. Muss ich glücklicherweise ja auch nicht. Und auch sonst niemand.
Das Buch ist witzig und ein wenig absurd. Besonders die Anekdoten, die immer wieder wie nebenbei eingestreut werden. Ich habe mich überwiegend amüsiert. Erst im Nachhinein kommt irgendwie ein bitterer Beigeschmack. Das mag an dem selbstgerechten Eindruck liegen, den die Online-Omi bei mir hinterlässt.
Alles in allem ist es ein locker-leichtes Buch, für seichte Stunden. Eine nette Urlaubslektüre für alle die gerne mal austeilen und Lästermäuler lieben.
Autorenporträts
Renate Bergmann, geb. Strelemann, wohnhaft in Berlin. Trümmerfrau, Reichsbahnerin, Haushaltsprofi und vierfach verwitwet: Seit Anfang 2013 erobert sie Twitter mit ihren absolut treffsicheren An- und Einsichten – und mit ihren Büchern die ganze analoge Welt.
Torsten Rohde, Jahrgang 1974, hat in Brandenburg/Havel Betriebswirtschaft studiert und als Controller gearbeitet. Sein Twitter-Account @RenateBergmann, der vom Leben einer Online-Omi erzählt, entwickelte sich zum Internet-Phänomen. «Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker» unter dem Pseudonym Renate Bergmann war seine erste Buchveröffentlichung – und eine sensationeller Erfolg.
Buchinfo
„Das bisschen Hüfte, meine Güte“ von Renate Bergmann, erschienen August 2015 bei rororo
Taschenbuch: 256 Seiten, € 9,99, ISBN 978-3-499-27044-4
eBook: Format: ePub, 256Seiten, € 9,99, ISBN 978-3-644-54681-3
Quellen
Bild: www.rowohlt.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
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