Marthe und Mathilde sind eine verschworene Gemeinschaft. Die beiden Elsässerinnen lernen sich im Alter von sechs Jahren kennen. Ihre Freundschaft überdauert Jahrzehnt um Jahrzehnt, bis beide kurz vor ihrem 100. Geburtstag innerhalb weniger Monate aus dem Leben scheiden. Sind sie vom Wesen her auch unterschiedlich, so sind die Parallelen in beider Leben doch verblüffend. Pascale Hugues hat ihren beiden Großmüttern und der Familiengeschichte nachgespürt. Nicht immer ist dies einfach, bedenkt man die turbulenten Jahre des 20. Jahrhunderts die beide Damen durchlebt haben.
Marthe und Mathilde – beider Heimat ist das Elsass, welches mal zu Deutschland und mal zu Frankreich gehört. Mathilde ist von diesen Regierungswechseln schwer betroffen, da ihr Vater ein Deutscher ist und ihre Familie viele Jahre in Frankreich nur geduldet wird.
Hauptsächlich Mathildes Leben wird im Buch beschrieben. Sie ist die Großmutter mütterlicherseits und offenbar aufgrund ihres Charakters die präsentere von beiden. Marthe hingegen versteht es besser die Familie mit ihren Geschichten zu unterhalten.
Dabei haben beide Frauen die Weltkriege des 20. Jahrhunderts überlebt. Sie sind im gleichen Jahr geboren und ihre Namen beginnen mit den selben Buchstaben. Beide haben einen Soldaten geheiratet, jeweils zwei Kinder bekommen und wohnen nicht weit voneinander entfernt. Mathildes Tochter heiratet Marthes Sohn und beide sind so noch enger verbunden. Bis zuletzt telefonieren Marthe und Mathilde täglich miteinander. Sie werden 99 Jahre alt und sterben im Abstand von nur wenigen Wochen im Jahr 2001.
Liebevolle und liebenswerte Familiengeschichte
Die Liebe und Innigkeit zwischen der Autorin und ihrer Familie, insbesondere den Großmüttern, springt einem auf jeder Seite regelrecht entgegen. Man spürt die Verbundenheit zwischen den Personen. Die Parallelen in den Leben von Marthe und Mathilde verblüffen den Leser immer wieder. Anhand einiger Bilder von den beiden Damen bei unterschiedlichen Gelegenheiten kann man der Familiengeschichte folgen. Mitunter scheint es, als säße Pascale Hugues neben einem und erzähle die vielen kleinen und großen, fröhlichen und tragischen Ereignisse persönlich. Sie zeichnet das Bild einer normalen Familie mit Sonnen- und Schattenseiten. Sie stellt ihre Großmütter nicht auf ein Podest, sondern lässt sie so menschlich sein wie sie waren.
Ein absolut liebevolles und liebenswertes Buch über die eigene Familiengeschichte. Sehr zu empfehlen.
Autorenporträt
Pascale Hugues, geboren 1959 in Straßburg, war von 1986 bis 1989 Korrespondentin der Tageszeitung „Libération“ in Großbritannien, danach bis 1995 in Deutschland in Bonn und Berlin. Seit 1995 schreibt sie regelmäßig für das Wochenmagazin „Point“ und verschiedene deutsche Zeitungen, u.a. „die tageszeitung“ und den „Tagesspiegel“. Daneben hat sie Filme für den deutsch-französischen TV-Sender ARTE gedreht. Für den Film „L’est c’est fini“ über ostdeutsche Jugendliche und den Text „in den Vorgärten blüht Voltaire“ in ihrer Tagesspiegel-Kolumne „Mon Berlin“ wurde sie jeweils mit dem Prix du journalisme franco-allemand in den Sparten Fernsehen und Presse ausgezeichnet.
Buchinfo
“Marthe & Mathilde“ von Pascale Hugues, erschienen Oktober 2008 bei Rowohlt, Hardcover, 288 Seiten, € 19,90, ISBN: 978-3-498-00655-6
Quellen
Bild: www.rowohlt.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
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