Eine französische Familie ohne echten Zusammenhalt im Zweiten Weltkrieg. Jeder überlebt auf seine Weise die deutsche Besatzung. Und doch spüren alle am Ende, dass sie zusammen gehören. Eine wunderbare Geschichte über Mut, Entschlossenheit und Liebe. Lasst Euch von den vielen Seiten nicht abschrecken – es lohnt sich!
Vianne und Isabelle Rossignol waren nie wirklich Schwestern. Und der Vater Julien hatte diese Bezeichnung auch nicht verdient. Gebrochen vom Großen Krieg gibt er nach dem Tod der Mutter die beiden Mädchen in die Obhut von Fremden. Vianne ist 14 Jahre alt. Sie findet schnell neue Freundschaft und in Antoine ihre große Liebe. Isabell ist 4 und ergeht sich in Wutanfällen und Geschrei, um wenigstens die Aufmerksamkeit der Schwester zu erlangen. Ohne Erfolg.
Jahre später, 1939. Isabelle ist 18 und fliegt wieder einmal von der Schule. Ihr Vater will sie in Paris jedoch nicht haben. Als die Deutschen Frankreich und dessen Hauptstadt besetzen, schickt er sie zu ihrer Schwester Vianne Richtung Süden. Widerwillig macht Isabelle sich auf den Weg, findet in Gaeton einen Reisegefährten. Mit ihm er- und überlebt sie bei Tours die Bombardierung des Flüchtlingstrecks. Isabelle ist schockiert. Für sie steht mehr denn je fest, sie will kämpfen. Keinesfalls kann sie hinnehmen, wie ihr Land mit Krieg überzogen wird. Eigentlich soll Gaeton ihr dabei helfen, doch er lässt sie im Stich.
Die eigenwillige junge Frau, muss zunächst bei ihrer Schwester Vianne und deren Tochter Sophie unterkommen. Das Zusammenleben ist schon unter normalen Umständen nicht leicht aufgrund der schwierigen Vergangenheit. Unter der Besatzung aber ist Isabelles Ungestüm und ihre Offenheit gefährlich. Erst recht als in Viannes Haus ein Hauptmann der Wehrmacht einquartiert wird. Und Isabelle sich bereits dem Widerstand angeschlossen hat.
Um Vianne und Sophie nicht noch mehr in Gefahr zu bringen und um auch mehr für die Resistance zu tun, kehrt Isabelle zurück nach Paris. Dort kommt ihr die Idee, dass man abgeschossene Alliierten-Piloten über die Pyrenäen nach Spanien bringen könnte. Dort wird aus Isabelle Rossignol zunächst Juliette Gervais und schließlich die berüchtigte Nachtigall.
Jede Seite lohnt sich!
Normalerweise beende ich ein Buch und beginne am Folgetag ein neues. Das konnte ich hier nicht. „Die Nachtigall“ ging mir noch so sehr im Kopf um, dass ich noch Tage später daran denken musste. Es ist natürlich eine Geschichte nach meinem Geschmack: Der Zweite Weltkrieg, Widerstandskämpfer, Liebe, Familie, Drama und Tragik. Und vielleicht stünde ich auch nicht so neben mir, wenn das Ende ein anderes gewesen wäre. Ich will nicht zu viel verraten, aber ich bin tatsächlich geschockt. Mehrfach haben mir auf den letzten Seiten Tränen in den Augen den Blick auf die Worte verschleiert. Vielleicht bin ich einfach zu nah am Wasser gebaut.
Unabhängig von meiner Heulsusenmentalität, finde ich es ein wunderschönes und kraftvolles Buch. Die Geschichte um Isabelle und Vianne ist packend und saugt einen regelrecht ein. Man könnte sagen ich bin mental gerade erst aus dem besetzten Frankreich zurück. Ich war völlig gefangen in der Story und konnte (wollte) mich nicht losreißen. Bei all dem geschilderten Mut und den heroischen Taten, ist dennoch die Angst spürbar, die die Menschen dabei hatten. Vor allem die Entwicklung der Charaktere hat mich in dem Zusammenhang beeindruckt. Dazu die bildhafte Sprache.
Natürlich finde ich auch den zeitgeschichtlichen Hintergrund interessant. Oft wird ja nur von den Heldentaten der Männer gesprochen. Aber wie Kristin Hannah ebenfalls schreibt, gab es auch sehr viele Frauen, die im Stillen geholfen haben. Darüber hinaus danke ich der Autorin, dass sie so genau war und im Buch vom „Großen Krieg“ und nicht vom Ersten Weltkrieg spricht – so wurde er nämlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg genannt. Ein kleiner, aber für mich wichtiger Unterschied, der mir zeigt, dass sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat.
Also, liebe Leseratten, so dick das Buch auch ist, es lohnt sich jede Seite. Keine ist zu viel. Ich schwöre!
Übrigens:
Ich habe nach der wahren Nachtigall gesucht. Leider erwähnt Kristin Hannah sie nicht namentlich. Aber ich habe Lisa Fittko gefunden, die tatsächlich im Zweiten Weltkrieg geholfen hat Piloten über die Pyrenäen nach Spanien zu schaffen. Auch sie hat ein Buch geschrieben. Vielleicht sollte ich das mal lesen.
Mehr großartige Bücher mit zeitgeschichtlichem Hintergrund:
Frank Goldammer: Der Angstmann
Sarah Quigley: Der Dirigent
Mechtild Borrmann: Wer das Schweigen bricht
Alex Kershaw: Der Befreier
Pascale Hugues: Marthe & Mathilde
Autorenporträt
Kristin Hannah, geboren 1960 in Südkalifornien, arbeitete als Anwältin, bevor sie zu schreiben begann. Heute ist sie eine internationale Top-Bestseller-Autorin und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn im Pazifischen Nordwesten der USA und auf Hawaii.
Buchinfo
„Die Nachtigall“ von Kristin Hannah, erschienen bei Rütten & Loening
Hardcover: 608 Seiten, € 19,99, ISBN 978-3-352-00885-6
eBook: ePub/Mobi, 608 Seiten, € 14,99, ISBN 9783841211262
Quellen
Bild+Autorenporträt: www.aufbau-verlag.de / Text (außer Autoreninfo): Susanne
Pingback: Mein Lesejahr 2016 – Die Highlights | Wortgestalten
Pingback: Ida Simons: Vor Mitternacht | Wortgestalten
Pingback: Nikola Scott: Zeit der Schwalben | Wortgestalten
Pingback: Hans Meyer zu Düttingdorf: Unsere Seite des Himmels | Wortgestalten
Pingback: Linda Winterberg: Solange die Hoffnung uns gehört | Wortgestalten
Pingback: Melanie Levensohn: Zwischen uns ein ganzes Leben | Wortgestalten