Obwohl bereits seit 20 Jahren Autor stürmt Frank Goldammer erst jetzt die Bestsellerlisten. Der sympathische Dresdner erobert mit „Der Angstmann“ gerade die Herzen einer breiten Leserschaft und der Kritiker. Dieser historische Kriminalroman ist der Auftakt für eine Krimi-Reihe um den Ermittler Max Heller. Und der agiert natürlich im schönen Dresden. Weniger schön ist die Zeit in der Band 1 spielt: 1944/45. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges treibt sich in der sächsischen Elbstadt ein Mörder herum, der Frauen bestialisch verstümmelt. Ungeachtet der desolaten Zustände und der gefährlichen politischen Situation will Max Heller den Täter fassen.
Nachdem ich „Der Angstmann“ gelesen hatte (die Rezension könnt Ihr hier nachlesen), wollte ich auch gern den Autor kennenlernen. Und ihm natürlich auch einige Fragen stellen: Zum Angstmann, zu seiner bisherigen Schriftstellerkarriere und seinem Pensum und natürlich wie er das mit Job und Schreiben und Familie alles unter einen Hut bekommt. Auf der Frankfurter Buchmesse war dafür Gelegenheit.
Frank Goldammer empfängt mich am Freitagvormittag gutgelaunt mit einem freundlichen Lächeln. Die Begrüßung erfolgt im schönsten Dresdner Dialekt. Wie schön. Selbst gebürtige Sächsin höre ich das natürlich sehr gerne. Und dann starten wir auch schon mit dem Interview:
Wortgestalten (WG): Zunächst beschäftigten Sie sich eher mit der Malerei. Erst mit Anfang 20 kamen Sie zur Schriftstellerei. Dazu sagten Sie selbst einmal, Sie setzten sich hin und begannen ein Buch zu schreiben. War es tatsächlich der Gedanke “Ich schreibe jetzt ein Buch.”, der Sie zum Schreiben animierte?

Frank Goldammer © dtv / Dieter Brumshagen
Frank Goldammer (FG): Ja, ich bin ein kreativer Mensch und hatte immer schon den Drang mich nach außen darzustellen. Wie erwähnt, habe ich früher gemalt. Mit Anfang 20 stellte ich fest, dass für die Malerei zwar ein gewisses Talent vorhanden ist, aber längst nicht genug, um daraus etwas zu machen und erfolgreich zu sein.
Nach einem Jahr Leerlauf war klar, dass es so nicht weitergehen kann. Ich wollte mein Leben irgendwie gestalten. Dabei half mir, dass ich sehr viel las. Von Steven King über Terry Pratchett bis zu John Irving. Querbeet sozusagen, so wie ich auch Musik höre.
Da kam mir tatsächlich der Gedanke, ´Jetzt setzt du dich hin und probierst mal was zu schreiben`. Das machte ich und so pathetisch es auch klingt, vom ersten Moment an wusste ich, jetzt hast du genau das gefunden, was du machen willst.
„Pro Jahr schreibe ich 2-3 Bücher“
WG: Diese Anfänge sind nun etwa 20 Jahre her. Inzwischen gibt es knapp 20 Bücher, die Sie selbst geschrieben haben und Anthologien an denen Sie mitgewirkt haben. Ist das ein geheimes Ziel – Durchschnittlich pro Jahr ein veröffentlichtes Buch, Tendenz steigend?
FG: Das Ziel ist ein anderes. Ich schreibe wie ein Verrückter. Viel mehr als ich veröffentlichen kann. Der Verlag schlägt schon die Hände über dem Kopf zusammen.
So gern wie ich verschiedene Genre lese, so schreibe ich auch in verschiedenen Genre: Satire, amüsante Romane, Gegenwartsliteratur, als Steven King-Fan auch Mystery und Horror. Pro Jahr schreibe ich 2-3 Romane. Das heißt, mein Pensum für den Verlag ist schnell erfüllt und mir bleibt Zeit Bücher auch einfach für mich selbst zu schreiben.
WG: Ihre Genre sind – wie schon teils erwähnt – Mystery, Fantasy, Utopie, Science Fiction, Satire und Krimi. Das klingt erstmal recht viel und durcheinander. Brauchen Sie diese Abwechslung beim Schreiben?

Frank Goldammer kann nicht nur Krimi
FG: Als ich meine Bücher selbst verlegte hielt ich es so, dass ich nach einem ernsthaften und düsteren Mystery- oder Fantasy-Buch einen Lustigen Roman schrieb. Ich schrieb also schon immer im Wechsel. Ich möchte mich auch nicht auf ein Genre festlegen.
Im Kopf habe ich beispielsweise seit Jahren eine Science Fiction-Saga. Bisher hatte ich noch nicht die Möglichkeit diese aufzuschreiben, aber ich will das unbedingt machen – egal ob ein Verleger sie mir abnimmt. Denn in erster Linie schreibe ich doch für mich selbst.
WG: Wie entscheiden Sie welches Genre als nächstes dran kommt – gibt es ein System?
FG: Nein, das nicht unbedingt. Ich habe immer drei Buchideen im Kopf. Wenn ein Buch fertig ist, überlege ich auf welche der drei Ideen ich jetzt Lust habe und lege los. Bittet mich aber beispielsweise der Verlag während eines Projektes, dass ich gerade für mich erarbeite, schon einmal über ein bestimmtes Buch wie den zweiten Teil der Max-Heller-Reihe, nachzudenken, dann lege ich mein Projekt beiseite und kann sofort an einem anderen Buch arbeiten.
„Mein Großonkel erzählte mir seine Geschichte“
WG: Sie haben es eben erwähnt. Nach den Krimis um Falk Tauner haben Sie mit “Der Angstmann” nun eine neue Krimi-Reihe gestartet. Ermittler ist Kriminalinspektor Max Heller, der im historischen Dresden agiert. Was gab den Ausschlag für diese neue Krimi-Reihe?

Band 2 der Krimireihe über Falk Tauner
FG: Die neue Krimireihe mit dieser speziellen Szenerie ist dem neuen Verlag geschuldet.
Und die Idee zur Szenerie stammt aus meiner Familie. Kurz vor seinem Tod interviewte ich meinen Großonkel. An seinem Lebensabend hatte er das Bedürfnis seine Geschichte zu erzählen. Über 60 Jahre schwieg er und berichtete nun unter anderem über seine Kriegsgefangenschaft, die Gefechte und seine Rückkehr nach Deutschland. Unter den vielen bewegenden Momenten berührte mich eine Szene besonders: Als er nach Dresden zurückkehrte und noch im Zug sitzend das Ausmaß der Zerstörung sah. Obwohl er bereits von der Bombardierung wusste, war er entsetzt. Aber nicht die Zerstörung an sich machte ihn so wütend, sondern, dass die Leute alle ihrer Arbeit nachgingen. Am liebsten wäre er aus dem Zug gesprungen, hätte die Menschen am Kragen gepackt und gefragt, ob sie die Zerstörung denn gar nicht sehen und wie sie einfach so weiter machen können.
Das brachte mich auf die Fragen was dieser Krieg, die Bombardierung, die Nachkriegszeit bedeutet für den einzelnen Menschen. Wie wirkt sich das auf ihn aus? Damit hatte ich meinen Hintergrund. Es lag schließlich nahe in diese Szenerie eine Kriminalgeschichte einzubauen und damit auch einen neuen Charakter zu erschaffen.
WG: Die traumatischen Ereignisse um die Naziherrschaft, den Zweiten Weltkrieg, die Bombardierung Dresdens und die Besetzung durch die Sowjetmächte spielen also eine große Rolle. Sie sprachen mit ihrem Großonkel als einem Zeitzeugen darüber. Sprachen Sie auch mit anderen Zeitzeugen oder haben entsprechende Berichte gelesen?
FG: Ich las sehr viele Zeitzeugenberichte, hörte Audiodateien von Zeitzeugen und habe viele Berichte aus zweiter Hand. Von Menschen also die mir Geschichten von Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten erzählten, die diese Zeit erlebten.
Es gibt ja nur noch wenige Menschen von damals, mit denen man persönlich darüber sprechen kann. Und es ist auch schwierig an eine fremde Person heranzutreten und einfach nachzufragen wie das damals so war. Man weiß ja nicht was man da möglicherweise an Wunden aufreißt.
Was die Bombardierung angeht, gibt es Aufzeichnungen aus ganz Deutschland, denn nicht nur Dresden wurde zerstört. Die Berichte der Menschen sind hier sehr ähnlich, denn für den Einzelnen ist es im Grunde egal, ob er in Dresden oder Hamburg bombardiert wird. Die Geschichten gleichen sich sehr.
„Ich wünschte, ich wäre so charakterfest wie Max Heller.“
WG: Gibt es für die Figur Max Heller ein reales Vorbild?
FG: Nein, das gibt es nicht. Max Heller ist ein Ideal für mich. Er ist zwar ein Lonesome-Ranger, der durchaus für sich bleibt, aber er ist nicht abgekapselt von der Welt. Er ist offen und lebt in einer sehr guten Beziehung. Mir war wichtig, dass er nicht zynisch ist. Max Heller sollte zwar nicht bedingungslos an das Gute im Menschen glauben, aber an das Gute in ihm selbst. Dass er also im Rahmen seiner Möglichkeiten Gutes tut.
Das ist mein Ideal. Es steckt auch einiges von mir in Max Heller, aber ich muss zugeben, ich wünschte ich wäre so stark und charakterfest wie er.
WG: Den zweiten Fall von Max Heller haben Sie schon geschrieben. Wie heißt er und wann wird er veröffentlicht?
FG: Ein Titel ist noch nicht gefunden. Der Erscheinungstermin liegt im Herbst 2017, pünktlich also zur nächsten Frankfurter Buchmesse.
Zum Inhalt darf ich so viel verraten: Das Buch spielt etwa anderthalb Jahre nach den Ereignissen aus „Der Angstmann“. Also im Winter 1947. Das war ein sehr harter Winter. Es war sehr kalt, großer Hunger herrschte, in den Krankenhäusern mangelte es an Medikamenten, Geräten und Personal. Die Russen waren damit beschäftigt Betriebe und Maschinen abzubauen, um diese als Reparation nach Russland zu verbringen. Daraus entstand für die Menschen der Eindruck, dass sie zwar arbeiteten und aufbauten, aber dass sie für die Besatzer aufbauten und nicht für sich. Dadurch resultierte eine sehr heikle Stimmung mit großer Niedergeschlagenheit. Und in diese Szenerie hinein geschehen wieder Morde, die Max Heller aufklären muss.
WG: In Ihren Krimis ist immer Ihre Heimat Dresden der Schauplatz. Gibt es Pläne auch mal in einer anderen (sächsischen) Stadt/Region zu ermitteln?

Dresdner Wahrzeichen: die Frauenkirche
FG: Ich bin Dresdner und daher ist es für mich am einfachsten über Dresden zu schreiben. Würde ich über eine andere Gegend oder Stadt schreiben, dann müsste ich erstmal dorthin. Ich würde es mir nicht erlauben über eine Stadt zu schreiben, wenn ich nicht wenigstens eine Weile dort gelebt hätte. Und man kann nicht einfach das Gemüt oder die Art der Dresdner auf eine andere Stadt projizieren.
Ich habe zwar eine Idee für einen Thriller, der in Berlin spielen könnte. Aber das Buch, existiert bisher nur in meinem Kopf und es gibt keinerlei konkrete Pläne.
Ein anderer Schauplatz also ist nicht ausgeschlossen.
Meine Krimis um Falk Tauner, die bei einem anderen Verlag als „Der Angstmann“ erschienen, wurden als Regionalkrimis vermarktet. Ich finde das Quatsch, denn irgendwo muss Buch ja spielen. Und nicht immer kann der Tatort Frankfurt oder Berlin sein.
Genauso wie die Falk-Tauner-Bücher spielt „Der Angstmann“ zwar in Dresden, aber ist kein Regionalkrimi.
„Ruhe finde ich nicht. … Das ist einfach so.“
WG: Sie arbeiten nach wie vor in Ihrem Lehrberuf als Maler- und Lackierermeister, haben einen Handwerksbetrieb in dem Ihr Vater noch Geschäftsführer ist. Außerdem sind Sie alleinerziehender Vater. Bisher schreiben Sie nebenberuflich, hauptsächlich Abends/Nachts. Woher nehmen Sie die Energie bzw. wann kommen Sie zur Ruhe?
FG: Ruhe finde ich nicht. Aber das ist keine Klage, das ist einfach so. Ich bin innerlich sehr getrieben. Seit ich vor einem Jahr den Verlags-Vertrag unterschrieb, hat sich das gebessert.
Vorher wusste ich einfach nicht wohin das führt. Ich schrieb und schrieb und wollte auch nicht aufhören mit Schreiben. Es stellte sich die Frage wofür mache ich das. Die Resonanz war und ist also wichtig, damit man nicht in seinem Kämmchen zum Zyniker wird.
WG: Ihr Alltag klingt äußerst diszipliniert und durchgetaktet. Lassen sich das Schreiben, die Ideen dazu, Formulierungen und Sätze, die einem durch den Kopf schießen, tatsächlich so strikt auf die Abendstunden festlegen?

Frank Goldammer vor einem der Buchschauplätze: Dresden-Johannstadt
FG: Tagsüber bin ich mit der Firma beschäftigt. Da habe ich Termine und Arbeitsdruck. Ich kann also kaum über die Bücher nachdenken. Es kommt aber vor, dass ich mich genau dazu zwingen muss. Besonders wenn ich an einer Stelle nicht weiß, wie bringe ich die Figur von einer Szene zur nächsten. Oder es gibt einen Handlungsstrang, der nicht so gut funktioniert wie man sich das vorgestellt hat. Da kommt es schon mal vor, dass während der Arbeitszeit der Knoten platzt. Letztendlich beschränkt sich die Arbeit an den Büchern aber wirklich hauptsächlich auf die Abendstunden.
Oft setze ich mich abends an den Computer mit dem Gedanken ´Mal sehen was jetzt passiert`. Natürlich habe ich die Handlungsvorgabe, denn das Konzept steht schon. Die Entwicklung ist aber auch für mich oft überraschend. Da tauchen Figuren auf, die eigentlich nur am Rande erscheinen sollten, die sich aber durch ihre Art und Weise wichtiger machen als geplant.
Es wäre für mich aber kein Problem zu wechseln. Müsste ich nicht mehr arbeiten gehen, könnte ich auch tagsüber schreiben.
„Ich habe soziale Verantwortung.“
WG: Die zunehmende Bekanntheit bringt mehr Termine, mehr Aufgaben mit sich. Natürlich auch eine gesteigerte Nachfrage nach neuen Büchern aus Ihrer Feder. Gibt es daher Pläne das Schreiben zum Hauptberuf zu machen?
FG: Der Wunsch ist da, aber konkrete Pläne gibt es nicht. Ich lasse erst einmal alles auf mich zukommen, denn im Moment ist natürlich alles super. Seit drei Wochen steht „Der Angstmann“ in der Spiegel-Bestsellerliste, ist aktuell hochgerutscht von Platz 20 auf Platz 14. Das ist absoluter Wahnsinn.
Aber ich neige nicht zu Schnellschüssen. Ich bin sehr bedacht und vorsichtig. So wie ich täglich meine Jacken- und Hosentaschen abklopfe, ob wirklich alles drin ist, so sorgfältig bin ich auch an anderer Stelle. Ich werfe die Arbeit also jetzt nicht hin. Schließlich habe ich auch eine soziale Verantwortung der Familie und den Angestellten der Firma gegenüber. So toll wie jetzt alles läuft, man weiß nicht wohin sich das entwickelt.
Aber es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass ich an einen Punkt komme, an dem ich es für realistisch halte und den Schritt wagen kann, das Schreiben zum Hauptberuf zu machen. Ob das aber nächstes Jahr oder in 10 Jahren der Fall sein wird, das steht in den Sternen.
Vielen Dank an der Stelle noch einmal an Frank Goldammer für den freundlichen Empfang und das nette Gespräch.
Quellen
Bilder: www.frank-goldammer.de und www.dtv.de
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Und Danke Dir für das schöne Interview!!!!
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Immer wieder gerne 🙂
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