Der großartige Oliver Sacks. Er war der Arzt, der seine Patienten aus der Starre erwachen ließ. Ein Arzt der sich intensiv mit neurologischen und psychischen Besonderheiten befasste. Der nicht nur die Krankheiten sah, sondern auch die Person und die Auswirkungen – positive wie negative – der Erkrankung auf ihn. Ein Arzt der nicht einfach nur Patienten sah, sondern Menschen. Seine Autobiografie halte ich für ein Geschenk.
Oliver Wolf Sacks wurde am 9. Juli 1933 in London als jüngstes von vier Kindern geboren. Sein Vater ein Arzt für Allgemeinmedizin, seine Mutter eine der ersten Chirurginnen Englands. Auch seine drei Brüder wurden Mediziner. Wenig verwunderlich daher, dass auch Oliver diesen Weg einschlug.
In verschiedenen Universitäten und Colleges Großbritanniens erwarb er Bachelortitel in den Bereichen Physiologie, Biologie, Medizin und Chemie. Er wanderte nach Amerika aus und war zunächst als Forschungsassistent in einer Parkinson-Abteilung in San Francisco tätig. Sein Interesse an der Verbindung zwischen Neurologie und Psychologie war inzwischen geweckt. An der University of California setzte er daher seine Facharztausbildung in Neurologie und Neuropathologie fort.
Immer wieder während seiner Laufbahn verfasste er Bücher über die verschiedensten Krankheitsbilder seiner Patienten: Parkinson, Tourette, Autismus, Gehörlosigkeit, etc. Auf einzigartige Weise verstand er es die komplizierten Vorgänge im Gehirn bei einer Erkrankung einem breiten Publikum zu verdeutlichen und auch die Perspektive eines psychisch erkrankten verständlich darzustellen. Nichtsdestotrotz dauerte es recht lange, bis sich tatsächlich ein Verlag fand, der Sacks Arbeiten veröffentlichen wollte. Denn sie schienen weder für die Fachwelt noch für den normalen Leser gemacht. Erst später sollte der Erfolg ihm Recht geben.
Seine eigenen Erfahrungen mit einer gestörten Wahrnehmung verarbeitete er ebenfalls in einem Buch. Bei einem Wanderunfall verletzte er sich am Bein und kämpfte lange Zeit nicht nur auf körperlicher sondern insbesondere auf psychischer Ebene damit.
Zeit seines Lebens liebte er das Motorrad fahren, war gern unterwegs und hatte ein Faible für das Periodensystem. Den Großteil seines Lebens verbrachte er außerdem als Junggeselle. Erst spät erfuhr er das Glück einer erfüllenden Beziehung.
Später büßte er die Sehfähigkeit auf einem Auge ein. Im Dezember 2014 wurde seine Krebserkrankung diagnostiziert. Sie führte schließlich zu seinem Tode im August 2015. Oliver Sacks wurde 82 Jahre alt.
Als würde ein Freund etwas erzählen
Ich schäme mich, dass ich Euch diese Rezension so lange vorenthalten habe. Es ist umso schmählicher als ich das Buch geradezu verschlungen habe. Daher bitte ich in aller Form um Entschuldigung für die späte Vorstellung.
Oliver Sacks ist ein bewundernswerter Mann mit einer besonderen schriftstellerischen Gabe. Sein Schreibstil und damit sein Buch vermitteln das Bild eines mitfühlenden interessierten Mannes, dem im Leben nichts geschenkt wurde. Besonders nahe gegangen sind mir all die Stellen an denen er über seine Patienten spricht. Und natürlich auch die an denen er selbst mit Problemen zu kämpfen hat.
Es ist ein beeindruckendes Leben in dem er so viel für das Verständnis von neurologischen Erkrankungen getan hat. Ich kann gar nicht so viele Worte finden wie ich möchte, um seine Autobiografie richtig darzustellen und zu würdigen.
Oliver Sacks auf diesem Wege kennenzulernen hat mich sehr gefreut. Er hat einen so unaufgeregten und angenehmen Schreibstil, dass es scheint als würde einem ein Freund etwas erzählen. Man kann gar nicht anders als aufmerksam und interessiert sein und mitfühlen, mitleben. Sein Tod macht mich noch immer traurig, weil ich ihn für einen großartigen Menschen halte. Immerhin bleiben mir/uns seine Bücher.
Von ganzem Herzen (und nicht aus einem schlechten Gewissen heraus) empfehle ich Euch „On the move“ als eine äußerst lesens- und liebenswerte Biografie.
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Autorenporträt
Oliver Sacks, geboren 1933 in London, war Professor für Neurologie und Psychiatrie an der Columbia University. Er wurde durch die Publikation seiner Fallgeschichten weltberühmt. Nach seinen Büchern wurden mehrere Filme gedreht, darunter «Zeit des Erwachens» (1990) mit Robert de Niro und Robin Williams. Oliver Sacks starb am 30. August 2015 in New York City.
www.oliversacks.com
Buchinfo
„On the Move. Mein Leben“ von Oliver Sacks, erschienen Mai 2015 bei Rowohlt
Hardcover: 448 Seiten, € 24,95, ISBN 978-3-498-06433-4
eBook: 448 Seiten, € 21,99, ISBN 978-3-644-04081-6
Taschenbuch: erscheint Juli 2016 bei rororo, 448 Seiten, € 12,99 , ISBN 978-3-499-62893-1
Quellen
Bild+Autorenporträt: www.rowohlt.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
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