Casanova. Wer kennt ihn nicht? Den begnadeten Verführer. Den Beglücker unzähliger Frauen. Der alte Schwerenöter aus dem 18. Jahrhundert. Der Verfasser schlüpfriger Memoiren. Manch einer weiß vielleicht auch, dass es Casanova als einzigem gelang aus den berüchtigten Bleikammern in Venedig zu fliehen. (Was so nicht stimmt, denn er floh in Begleitung.) Viel mehr gibt die landläufige Meinung über diese schillernde Persönlichkeit leider nicht her. Dabei steckt so viel mehr dahinter.
Ingo Hermann hat sich mit der Person des Casanova vertraut gemacht. Und sucht gleiches nun beim Leser. Hermann nähert sich dem berühmtesten Verführer nicht auf chronologischem Wege, sondern über seine vielen Persönlichkeiten. Denn Casanova war ein Allrounder. Er wusste nicht nur, wie man Frauen verführt, sondern beschäftigte sich auch mit Mathematik, Philosophie, Politik und vielen Wissenschaften.
Giacomo Girolamo Casanova wird am 02. April 1725 geboren. Seine Mutter ist Schauspielerin. Die Identität des Vaters nie wirklich geklärt. Der gesetzlich eingetragene Vater ist ebenfalls Schauspieler. Doch insgeheim munkelt man sein Vater sei der venezianische Adlige Michele Grimani. Diese Vaterschaft jedoch wird nie anerkannt. Und das wird der ewige Stachel in Casanovas Fleisch sein: immer will er zum Adel gehören, doch seine standesgemäße Herkunft wird nicht bestätigt.
Der Junge wächst bei seiner Großmutter auf und wird bald in die Obhut der Kirche gegeben. Er soll eine kirchliche Laufbahn einschlagen. Doch nach wenigen Jahren und den ersten amourösen Erfahrungen, sieht Giacomo sein Leben in einem anderen Licht. Hat er zunächst kaum Geld, so ändert sich seine Situation mit Anfang 20. Der junge Mann rettet dem venezianischen Senator Bragadin das Leben. Dieser adoptiert ihn zum Dank und wird seine neue Vaterfigur. Ab sofort kann Casanova in den von ihm so bewunderten Kreisen verkehren.
Neuerlichen Schub für sein gesellschaftliches Leben wird seine spektakuläre Flucht aus dem Staatsgefängnis in Venedig, den berüchtigten Bleikammern, sein. Ist er vorher noch als Spieler, Betrüger, Schuldenmacher und Verführer verschrien, so will nun jeder die Geschichte seiner Flucht hören.
Casanovas Leben zeichnet sich aus durch unzählige Reisen. Der gebürtige Venezianer muss nach seiner Flucht aus dem Staatsgefängnis seine Heimat verlassen. Er wird unter anderem nach Paris reisen, nach Großbritannien, an den russischen und den polnischen Königshof, nach Dresden, Frankfurt am Main, Spa, Basel, zurück nach Venedig und von dort erneut durch viele europäische Städte. Seinen Lebensabend wird er in Böhmen im Schloß Dux als Bibliothekar beschließen. Dort schreibt er auch die „Geschichte meines Lebenes“.
Casanova, der Verführer, Feminist, Philosoph, Liebhaber der Wissenschaft, Anhänger der Kabbala, Geheimagent und Freimaurer, Spieler, Abenteurer, Schriftsteller und leidenschaftliche Briefeschreiber, er stirbt 1798 allein, doch mit vielen Menschen in inniger Brieffreundschaft verbunden.
Casanove so viel mehr als nur Verführer
Das reise- und abenteuerlustige Leben des Giacomo Casanova in eine chronologische Schiene pressen zu wollen, dürfte schwierig sein. Biograf Ingo Hermann hat sich daher entschlossen, sich dem Leben dieses Allrounders von verschiedenen Seiten zu nähern. Er beleuchtet die unterschiedlichen Schwerpunkte: den Verführer, den Feministen, den Liebhaber der Wissenschaft, Geheimagent, Spieler und Abenteurer.
Diese Herangehensweise ist zum Teil etwas verwirrend. Dennoch ist die Biografie unterhaltsam geschrieben. Darüber hinaus macht sie sehr neugierig auf die Lektüre der Memoiren dieses berühmten Mannes, die auch oft zitiert werden. Schließlich war Casanova auch Schriftsteller. Und die Handschrift seiner Memoiren ist bis heute erhalten. Sie wurde im Februar 2010 von der Pariser Bibliothéque Nationale für 7 Millionen Euro gekauft als europäisches Kulturgut.
Wer mehr über den berühmten Verführer wissen will und neugierig ist, was noch alles in diesem Mann steckt, dem sei diese Biografie ans Herz gelegt. Denn Casanova war so viel mehr. Dabei hebt Hermann seine historische Persönlichkeit nicht in den Himmel, sondern schildert Stärken und Schwächen, Höhen und Tiefen und auch Ungereimtheiten in Casanovas Leben.
Autorenporträt
Ingo Hermann, geboren 1932 in Bocholt/Westfalen, leitete bis 1997 die Programmabteilung »Kultur, Bildung und Gesellschaft« beim ZDF, wo er u. a. die erfolgreiche Reihe Zeugen des Jahrhunderts betreute. Autor mehrerer Biographien, darunter Hardenberg (2003) und Knigge (Propyläen 2007).
Buchinfo
„Casanova – Der Mann hinter der Maske – Die Biographie“ von Ingo Hermann, erschienen September 2010 bei Propyläen, Gebunden, Mit 16 Seiten s/w-Abbildungen, 336 Seiten, € 24,95, ISBN-10: 3549073429, ISBN-13: 9783549073421
Quellen
Bild: www.ullsteinbuchverlage.de / Text: Susanne
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