Tief verwurzelt im Glauben an Feen und ihre böse Macht, gerät die junge Magd Mary in einen Strudel des Irrsinns. Angestellt bei der Witwe Nora Leahy muss sie sich um den verkrüppelten Micheal kümmern. Nach der fatalen Auffassung, das Kind sei ein Wechselbalg, wird Mary Zeuge und Mittäterin bei allerlei bizarren Heilmethoden. Denn die Witwe und die ortsansässige Heilerin wollen dem Kind die Fee austreiben.
„Der Morgen war sauber und feucht und so lichterfüllt, dass die nassen, moosbewachsenen Mauern, die die Felder säumten, in kräftigem Grün zu leuchten schienen. Es war kalt, aber das frühmorgendliche Sonnenlicht schien weich und goldfarben und durchwebte die Rauchschleier, die von den Dächern der Katen vorüberdrifteten.“ Zitat Seite 107
Irland 1825/1826: Nach dem Tod ihres Mannes muss Nora Leahy allein für ihren Lebensunterhalt sorgen. Und sie muss sich um ihren verkrüppelten Enkelsohn Micheal kümmern. Erst wenige Monate zuvor starb Noras einzige Tochter und deren Mann brachte hilflos das verhungernde und missgestaltete Kind zu den Leahys. Obwohl Micheal noch vor 2 Jahren ein munterer kleiner Junge war, kann er nun weder laufen noch sprechen. Seitdem erträgt Nora tagaus tagein sein ständiges Schreien und Weinen.
Da sie allein mit dem vierjährigen Kind nicht zurechtkommt, holt sie sich die junge Mary ins Haus. Das 14jährige Mädchen soll ihr helfen, sich um den Jungen zu kümmern und die täglichen Arbeiten zu verrichten. Als Mary den kleinen Micheal zum ersten Mal sieht ist sie entsetzt, war doch nie die Rede von einem Krüppel.
Zunehmend zermürbt durch das ständige Geschrei des Kindes sucht Nora Hilfe beim Pfarrer. Der jedoch rät ihr sich mit der Situation abzufinden. In ihrer Verzweiflung greift die Witwe zu drastischen Mitteln und versucht selbst den Jungen zu heilen.
Das ruft Nance Roche auf den Plan. Die eigenbrötlerische alte Frau lebt abgeschieden und gilt als Heilerin, die die Gabe hat mit den Feen zu kommunizieren. Sie will in dem missgestalteten Kind ein Wechselbalg erkennen – also ein Kind, das eigentlich ins Feenreich gehört und dessen menschlicher Doppelgänger statt seiner dort lebt.
Nora glaubt nur zu gerne was Nance ihr erzählt. Gemeinsam wollen sie den Wechselbalg wieder gegen den echten Micheal tauschen. Mary muss ihnen dabei helfen. Die bizarren Methoden werden immer dramatischer und gipfeln schließlich in einer Tragödie.
Voller Vorurteile und Aberglaube
Puh, was für ein Buch. So randvoll mit Aberglauben, dass ich es kaum fassen kann. Dass dieser so viel Raum einnimmt in der Geschichte hätte ich tatsächlich nicht gedacht. Im Grunde geht es eigentlich ja nur um eben diesen Aberglauben.
Obwohl ich um den hohen Stellenwert von Sagen und Mythen in Irland weiß, gerade auch zu einer noch nicht so aufgeklärten Zeit, bin ich ziemlich entsetzt über das hier beschriebene Ausmaß. Denn es geht doch auch darum alles was fremd ist, was man nicht kennt, als böse und teuflisch anzusehen. Und alle die anders sind, werden mit Vorurteilen versehen, werden ausgegrenzt und auch geächtet. So gesehen ist es ein äußerst aktuelles Buch.
So richtig hat mich die Geschichte aber nicht gepackt. Das kam eigentlich erst auf den letzten 40 Seiten. Dabei hat das Buch eine schöne und dichte Sprache und lässt das Irland im 19. Jahrhundert vor dem geistigen Auge auferstehen. Es ist auch spannend zu lesen, wie sich das Ganze entwickelt, wie die Situation sich immer mehr verschärft und schließlich eskaliert. Diese stete Steigerung ist sehr gut umgesetzt.
Es ist dennoch kein Buch, von dem ich behaupte es gefällt mir. Dafür habe ich mich den Großteil des Buches zu sehr durchkämpfen müssen und mich bei der Lektüre regelrecht unwohl gefühlt. Denn immer wieder kam auch die Frage in mir auf: „Wie hätte ich zu dieser Zeit, in dieser Situation gehandelt???“ Vielleicht ist das ein Grund es doch zu lesen. Aber ich empfehle Euch vor der Entscheidung noch ein paar andere Rezensionen zum Buch zu lesen.
Autorenporträt
Hannah Kent, geboren 1985 in Adelaide, Australien, ist die Mitbegründerin der australischen Literaturzeitschrift ‚Kill Your Darlings‘. 2011 gewann sie den Writing Australia Unpublished Manuscript Award für ihr Debüt ‚Das Seelenhaus‘. Seit seiner Publikation 2013 ist der Roman in fast dreißig Sprachen übersetzt worden, stürmte die Bestsellerlisten und gewann weitere zahlreiche Preise. ‚Wo drei Flüsse sich kreuzen‘ ist Hannah Kents lang erwarteter zweiter Roman, mit dem sie ihrer Faszination für archaische Mythen des Nordens treu bleibt.
Buchinfo
„Wo drei Flüsse sich kreuzen“ von Hannah Kent, erschienen bei Droemer HC
Hardcover: 432 Seiten, € 19,99, ISBN 978-3-426-19979-4
eBook: 432 Seiten, € 17,99, ISBN 978-3-426-44006-3
Quellen
Bild/Autorenporträt: www.droemer-knaur.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
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