Neu entdeckt: Grindy Pu Pop in der Conditorei

Gestern. Draußen ist es kalt, es nieselt und ist ungemütlich. Ich bin gerade erst nach Hause gekommen, habe noch nicht zu Abend gegessen und keine große Lust noch mal rauszugehen. Obwohl es mich schon reizen würde, F. mit seiner Band The Orion Tigers spielen zu hören. Die Musikrichtung Grindy Pu Pop klingt ausgefallen, verspricht alles und nichts. In dem Laden in dem sie spielen gibt es Cocktails. Ich mag Cocktails. Aber es ist unter der Woche. Ich hab auch nichts zum Anziehen. Und ich will doch sowieso sparen. Und alleine ausgehen mag ich auch nicht mehr so. In einer Cocktailbar kann man einfach nicht lesend mit einem Buch sitzen, um nicht ganz so verloren zu wirken. Die Entscheidung ist gefallen – ich ergebe mich meiner Faulheit, ziehe schon mal meinen Schlafanzug an und bleibe daheim.
Schnell noch vor dem Essen die Nachrichten in meinem sozialen Netzwerk lesen. Aha, F. hat geschrieben. Für den heutigen Abend haben er und die Jungs sich eine ganz besondere Show ausgedacht. Hmpf. Na toll. Jetzt hab ich ein schlechtes Gewissen. Dabei würde sowieso nicht auffallen, ob ich da bin oder nicht.
Während ich mein Abendessen runterschlinge, entscheide ich mich um. Ich gehe. Die Zeit reicht gerade, um sich für die Außenwelt nochmal herzurichten. Es nieselt nicht mehr, aber es ist kalt. Immerhin hatte ich vorher schon geschaut, wo der Gig stattfinden soll. Der Laden heißt Conditorei. Als F. mir das schrieb, dachte ich zunächst die berüchtigte Autokorrektur hätte ihre schlimmen Finger im Spiel. Der zweite Gedanke war: „Warum spielen die beim Bäcker?“ Aber da es hier in Stuttgart auch mal einen Club namens „Wurst  und Fleisch“ gab, war ich letztendlich nicht sonderlich überrascht, dass sich auch die Conditorei bei meinen Recherchen als Cafe/Cocktailbar entpuppte.
Ich suche und finde also die Lokalität. Ein Eckhaus. Durch die beiden großen Fensterfronten kann ich sehen, dass nicht sonderlich viel los ist. Das macht es mir nicht einfacher, meine Schüchternheit zu überwinden und reinzugehen. Um meine Unsicherheit zu überspielen sehe ich mich nur flüchtig um und gehe dann zielstrebig zur Bar. Ich mag nicht nach F. suchen. Der hat jetzt andere Dinge im Kopf und ich sehe in dem rötlichen Licht eh nicht gut. Ich erkenne bei diesen Lichtverhältnissen ein Gesicht erst, wenn es nur noch 30cm von mir entfernt ist. Das will ich keinem hier antun. Mir ist lieber ich kann mich im Hintergrund halten.
Der Raum ist nicht besonders groß. Als erstes fällt die Bar ins Auge über der viele Discokugeln in verschiedenen Größen hängen. Manche drehen sich, die meisten nicht. An den Fensterfronten laden Liegeplätze mit vielen Kissen zum Lümmeln ein. Etwa drei Leute passen nebeneinander, dann kommt ein schmaler Tisch und dann die nächste Liegefläche. Dabei sind es keine Sofas, sondern irgendwas anderes. Keine Ahnung wie man das bezeichnet. Es gibt auch ein paar Hocker zum Sitzen und natürlich die Barhocker an der Theke.
Ich bleibe erstmal genau dort und studiere ewig die Karte. Mehr als 100(!) Cocktails bietet die Conditorei an. Fein sortiert nach dem jeweiligen Hauptbestandteil Gin oder Wodka oder Rum oder wasweißichAlkohol. Dazu gibt es Champagner, Weine, Biere, ausgewählten Whisk(e)y aus Schottland und Irland, ebenso ausgewählte Sorten R(h)um. (Keine Ahnung wo Rum so alles herkommt.) Natürlich antialkoholische Getränke kalt und heiß. Eine riesen Auswahl. Aber kein Kuchen.
Ich entscheide mich für einen White Russian Spezial.
Neben einem Pärchen ist noch viel Liegefläche frei. Er empfiehlt mir ein zusätzliches Kissen für den Nacken, da sonst die Glasscheibe so kalt ist. Sehr aufmerksam. Als er mir ein Kissen reichen will, schlägt er mich damit beinah k.o. Ich überlebe. Von meinem Platz aus, versperrt mir leider die Bar die Sicht auf die Band, erst recht, als sich noch ein paar Leute an die Theke setzen. Aber Musik hört man ja bekanntlich auch, wenn man die Musiker nicht sieht.
Wenig später halte ich meinen Cocktail in der Hand. Ein bisschen dauert es noch, bis The Orion Tigers loslegen. Die Bar hat sich inzwischen etwas gefüllt. Hauptsächlich Freunde und Bekannte der Bandmitglieder, wie ich am Rande mitbekomme.
Es beginnt mit sphärischen Klängen, die für etwa eine halbe Minute angenehm sind, dann jedoch eher einschläfernd wirken. Erst recht, wenn man so gemütlich rumlümmelt. Doch dann geht es richtig los. Nachdem eine Gestalt in einem Kapuzencape den Musikern den (heiligen?) Leuchtstab gebracht hat, setzen Drums, Bass und Gitarre ein. Und dann fängt jemand an zu singen.
Keine Ahnung was ich erwartet habe, es ist auf jeden Fall Klasse. Die Melodien, der Rhythmus sind mitreißend, die Stimme angenehm und eingängig. Mein erster Gedanke gilt Linkin Park. Die verstehen es ähnlich mich zu begeistern mit ihrem rockigen Sound.
Ich höre teils mit geschlossenen Augen zu. Die Musik hüllt mich ein und ich mag sehr was ich höre. Klar ist man immer geneigt gut zu finden, was Freunde, Bekannte oder Familie musikalisch machen. Hier muss ich mich dafür nicht anstrengen. Bedauerlich, dass es noch keine CD zu kaufen gibt. Da muss wohl openTune herhalten.
In der Musik von The Orion Tigers ist vieles dabei. Rockiges, ruhiges, sphärisches, jazziges, indiemäßiges, ein wenig Rap, eingängiger Pop. Ich bin kein Musikjournalist oder –freak und habe keine Ahnung was es noch so alles für Richtungen gibt, die da reinspielen. Es ist jedenfalls nicht das ewig gleiche Gedudel. Für mich als Hörer ist die Bezeichnung der Musikrichtung im Grunde auch völlig irrelevant. Hauptsache es klingt gut und das tut es.
Eigentlich wollte ich nur für eine Stunde bleiben. Einen Cocktail trinken, ein bisschen zuhören und dann gegen 22 Uhr wieder verschwinden. Aber ich bleibe doch bis zum Schluss. Die Tigers haben ca. anderthalb Stunden gespielt und zwei Pausen eingelegt. Dank der nachdrücklichen Zugabe-Rufe gab es selbige.

Okay, von der besonderen Show habe ich wegen meinem Platz hinter der Theke nichts gesehen. Aber gelohnt hat es sich trotzdem. Die Stimmung war klasse, die Atmosphäre irgendwie familiär, die Musik spitze und die Getränke natürlich lecker. Ich freue mich über diese beiden Neuentdeckungen. Und so wie ich nun den Terminkalender der Tigers verfolgen werde, sieht mich sicherlich auch die Conditorei wieder.

The Orion Tigers setzen sich übrigens zusammen aus Frank Apel (Gesang und Gitarre), Fritz Schirrmeister (Bass), Leonard Rolle (Drums) und Sven Möller (Piano/Synth). Mehr zur Band und ihrer Musik findet Ihr hier: www.theoriontigers.com

3 Gedanken zu “Neu entdeckt: Grindy Pu Pop in der Conditorei

    • Danke Dir. Ja, unverhofft kommt oft. Oder eben die Abende sind am Schönsten, wenn man so gar keine rechte Lust hat.
      Danke für den Hinweis zum Rum. Wieder was gelernt. Obwohl ich mit meinem inneren Gedanken an Havanna ja gar nicht so verkehrt war. 🙂 Ich bleibe wohl trotzdem beim Whisky.
      In diesem Sinne ein Prösterchen und gute Nacht. 🙂
      Liebe Grüße
      sanne

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  1. Pingback: Ich bin wieder drin | Wortgestalten

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