Mit 19 Jahren wird Damien Echols zum Tode verurteilt. Drei Kinder soll er getötet haben. Das bringt ihm 18 Jahre in der Todeszelle ein. 18 Jahre in der Hölle. Dank der Unterstützung von Prominenten und vor allem seiner Frau wird er mit Hilfe einer juristischen Spitzfindigkeit 2012 entlassen. Er ist unschuldig. Die wahren Täter sind bekannt, aber noch nicht überführt.
Damien ist anders. Seine Familie ist arm, sein Stiefvater schikaniert ihn, er ist ein Außenseiter. Er trägt einen schwarzen Mantel, fährt Skateboard und hört Heavy Metal. Alles Dinge, die außerhalb der Norm liegen. Und ein ominöser Betreuer der Jugendfürsorge hat ihn auf dem Kieker. Jahrelang verfolgt er den Jungen, drangsaliert ihn, setzt ihn unter Druck.
Als eines Tages drei Kinder bestialisch ermordet werden, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Dank der fanatischen Fixierung des Jugendfürsorgers und der Gerüchte sie seien Satanisten werden Damien, sein bester Freund Jason und sein Kumpel Jesse festgenommen. Aus dem geistig etwas zurückgebliebenen Jesse wird nach stundenlangen Verhören und psychischer Folter etwas herausgepresst, das ab sofort als Geständnis bezeichnet wird. Damien wird darin als Rädelsführer bei den Morden bezichtigt.
Obwohl dieses Geständnis einer näheren objektiven Betrachtung keinesfalls standhalten würde – und von Jesse außerdem widerrufen wird – wird es zur Grundlage in dieser Farce die sich Mordprozess nennt. Damien wird zum Tode verurteilt, seine Freunde zu jahrzehntelangen bzw. lebenslangen Haftstrafen.
Was folgt sind Jahre der Einsamkeit und der Angst in der Todeszelle. Prügel, Willkür, mieses Essen, Depressionen inklusive. Eine Stunde täglich hat Damien sogenannten Freigang – in einer anderen Zelle als seiner eigenen. 23 Mithäftlinge werden hingerichtet während seiner Haftzeit. „Bis später“ sagen sie und meinen es ernst.
Einzige Lichtblicke für Damien Echols sind sein neu gefundener Glaube, eine Dokumentation über die Morde und den Mordprozess und eine Brieffreundin namens Lorri – seine heutige Frau. Damien liest viel, ruiniert sich damit in der grellen Beleuchtung seiner Zelle das Augenlicht, er meditiert stundenlang, macht sich Notizen über die Zustände im Knast.
Die Dokumentation „Paradise Lost“ rüttelt Amerika auf. Zweifel an der Schuld der drei Verurteilten werden laut – selbst die Hinterbliebenen der Opfer glauben nicht an ihre Schuld. Prominente Unterstützer wie Johnny Depp, Eddie Vedder und Peter Jackson sammeln Geld für die neue Prüfung von Beweisen und eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Ganze 11 Jahre lang wird das dauern. Und paradoxerweise wird Damien nur in die Freiheit entlassen weil er sich schuldig bekennt. Sein Kampf aber geht bis heute weiter. Er will eine volle Rehabilitierung.
Erschütternde Hexenjagd
Eines der erschütterndsten Bücher die ich je gelesen habe. Eine Paradebeispiel für eine Hexenjagd sondergleichen: Wer anders ist, muss schuldig sein!
Echols schildert seine Geschichte eher distanziert. Ist bei seinen Kindheitserinnerungen noch eine gewisse emotionale Ebene spürbar, so verliert sich diese völlig sobald seine Zeit hinter Gittern beginnt. Das Buch wirkt nicht wie eine pure Abrechnung sondern vielmehr wie ein Paukenschlag der Aufrütteln soll.
Trotz der Ungerechtigkeit, der Misshandlungen und der Entbehrung bewahrt sich Echols eine verständliche Sprache ohne größere verbale Entgleisungen in Sachen Kraftausdrücke. Das Erzählte ist auch so drastisch und unglaublich genug. Die Schilderungen einiger Mitgefangener entbehren mitunter auch nicht einer gewissen Komik.
Keine leichte Lektüre, nichtsdestotrotz aber eine überaus Empfehlens- und lesenswerte.
Autorenporträt
Damien Echols wurde 1974 in Arkansas geboren und verbrachte seine von häufigen Umzügen geprägte Kindheit und Jugend in Mississippi, Tennessee, Maryland, Oregon, Texas, Louisiana und Arkansas. Im Alter von 18 Jahren wurde er beschuldigt, gemeinsam mit seinen Freunden Jason Baldwin und Jesse Misskelley Jr. drei kleine Jungen ermordet zu haben. Damien Echols wurde zum Tode verurteilt und verbrachte 18 Jahre in der Todeszelle, ohne dass seine Schuld je bewiesen worden wäre. Der Fall der „West Memphis Three“ fand weltweite Beachtung, es entstanden zwei große Dokumentarfilme zu dem Thema. 2011 wurden die drei nach einer neuerlichen Prüfung der Beweislage aus dem Gefängnis entlassen. Damien Echols lebt heute mit seiner Frau Lorri Davis in Salem, Massachusetts.
Buchinfo
„Mein Leben nach der Todeszelle“ von Damien Echols, erschienen im Mai 2013 bei Goldmann, Gebundenes Buch, 416 Seiten, € 19,99, ISBN 978-3-442-31340-2
Quellen
Bild: www.randomhouse.de / Text: Susanne
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