26. Oktober 2015
… Zu dritt machen wir uns auf den Weg zum Anleger, wo quasi zeitgleich ein Kanu anlegt. Anleger ist im Übrigen großzügig ausgelegt. Es gibt ein paar Stufen und feuchte Steine von denen aus man ins Boot klettert. Immerhin: das Kanu ist größer als ich befürchtet habe. Klar, wenn die ja auch Gruppen von acht oder zwölf Leuten mit Gepäck abholen müssen. Hätte ich mir auch denken können. Das Kanu ist sogar teilweise überdacht.
Hier herrscht freie Platzwahl. Im Kanu stehen kleine blaue Bänke, die man sich sogar so positionieren kann wie man möchte bzw. wie das Gleichgewicht es verlangt. Ich habe Mühe mich auf den tiefer gelegten Plätzen niederzulassen. Nicht unbedingt weil ich schrecklich unsportlich geworden bin, sondern hauptsächlich wegen dem Sonnenbrand an den Waden. Es schmerzt höllisch, wenn ich die Beine beugen muss.
Wir tuckern den Fluss hinab. Rechts und links ist dichter Wald, alles ist grün, aber ich kann gar nicht richtig gucken, weil die Schweizer mich in ein Gespräch verwickeln. Obwohl wir zunächst denken, wir wären in der gleichen Lodge, werden die beiden an anderer Stelle aus dem Kanu geworfen. Keine zwei Minuten später langen wir an meinem Zuhause für die nächsten Tage an: der Liana Lodge. Insgesamt sind wir wohl keine zehn Minuten gefahren.
Nach ein paar Treppenstufen stehe ich vor einem großen … hmmm… Gebäudekomplex kann ich ja nicht sagen … Es ist ein riesiges spitzes Dach aus Palmwedeln. Darunter ist eine hölzerne Plattform auf der Tische und Stühle den Restaurantbereich ausweisen und wo auch eine 2x2m große Lagerfeuerstelle ist, um die sich eigentümlich geschnitzte Sitzgelegenheiten gruppieren. Wände gibt es keine, nur jeweils Geländer aus Lianen. Rechts von der Feuerstelle schließt sich die Rezeption an, die allerdings durchaus Holzwände hat. Und auch die Küche, die sich hinten an den Restaurantbereich anschließt ist ein geschlossener Raum. Links von der Feuerstelle geht es zu einer kleinen Bar. Und dann weiter zu einer Aussichtsplattform (dem Raucherbereich) über dem Fluss. Und vor der Bar geht auch nochmal ein kleiner Weg zu einer weiteren Sitzgelegenheit mit Hollywood-Schaukeln direkt am Fluss ab. Es sieht alles sehr idyllisch aus. Ich denke, hier kann ich mich wohlfühlen.
Herzlicher Empfang mit Zuckerschnaps
Es empfangen mich Clara und Hannah, die beiden deutschen Volontärinnen. Und die beiden Hunde Sam und Dilayla. Die Mädels sind ziemlich jung, noch keine 20 und seit etwa sechs Wochen hier. Abelino, der Barkeeper, reicht mir einen leicht grünlichen Tee zur Begrüßung. Dafür bin ich echt dankbar. Es ist ein lokales Getränk, dessen Namen ich leider vergessen habe. Da man ihn auch gern mit einem Schluck Zuckerschnaps trinkt, werde ich gleich gefragt, ob ich auch das probieren möchte. Logisch. Immer her mit dem Alkohol. Ich hab schließlich Urlaub.
Clara erzählt mir etwas über die Lodge und wir unterhalten uns allgemein ein wenig. Dabei stellen wir fest, dass wir alle unsere Wurzeln in Sachsen haben. Wo sonst sollte man auch andere Sachsen treffen, wenn nicht mitten im Urwald von Ecuador?!
Die Geschichte der Lodge und des Selva Viva erspare ich Euch an dieser Stelle. Wer Interesse hat, kann das aber gern hier nachlesen.
Mein Zuhause für die nächsten Tage – klein, aber fein
Schließlich bringt Clara mich zu meiner Cabana. Die kleinen, ebenfalls mit Palmwedeln gedeckten Häuschen stehen versteckt und mit viel Abstand untereinander im dichten Urwald. Die Wege sind klar erkennbar – immerhin. Eine Cabana bedeutet übrigens zwei Unterkünfte. Ich bin ziemlich weit hinten und der Weg ist irgendwie beschwerlich, weil bergauf und teilweise rutschig oder voller Steine.
Meine Zimmer hat zwei breite Betten, einen kleinen Tisch und zwei Regale. Die Wände sind horizontal geteilt. Die untere Hälfte ist blickdicht aus keine-Ahnung-welchem-Material und oben gibt es nur Fliegengitter und Gardinen. Also alles sehr luftig und offen. Bei den Temperaturen auch kein Problem. Eine Decke hat der Raum in dem Sinne nicht. Ich kann direkt bis zu der hohen Spitze des Palmendaches schauen. Dort ist per Plexiglas noch ein Fenster eingelassen.
An mein Zimmer schließt ein kleines Bad mit Dusche, WC und Waschbecken an. Hier gibt es allerdings eine Holzdecke. Und vor der Zugangstür habe ich einen Balkon. Auch dort ein kleiner Tisch mit Stuhl und eine Hängematte. Mein Blick geht in Flussrichtung, doch wegen der dichten Bäume und all dem Grün sehe ich ihn nicht.
Es ist genauso urig wie ich mir das vorgestellt habe. Es gibt keinen Strom in den Cabanas, aber es stehen Kerzen bereit und Streichhölzer in verschließbaren Plastikbeuteln.
Nach dem Auspacken und einer ersten erfrischenden Dusche mache ich mich in saubere Klamotten gewandet und mit Insektenspray imprägniert wieder auf zum Empfangsbereich. Ich will den Ausflugsplan für die nächsten Tage oder zumindest für Morgen absprechen. Natürlich schieße ich auf dem 1Minütigen Marsch schon ein paar Fotos. Zum Beispiel von diesen riesigen Ameisen, die auf einer Blume namens Hummerschere krabbeln. Clara hat mich schon gewarnt, dass die giftig sind und ein Biss äußerst schmerzhaft ist. Also die Ameisen nicht die Hummerscheren.
Außerdem erzählte sie, dass am Abend, also zur Dämmerungszeit kleine Totenkopfäffchen in den Bäumen bei der Lodge spielen. Natürlich will ich sehen ob sie recht hat.
Sie hat.
Die ersten Affen
Bei der Bar stehen einige andere Gäste und starren alle in die gleiche Richtung. Erst als ich näher komme, sehe ich den Miniaffen auf einem nahegelegenen Ast sitzen. Leider verschrecke ich ihn und er hüpft davon. Das macht aber nicht so viel aus, weil es nämlich ganz viele Affen gibt die hier spielen. Sie jagen sich durch das dichte Gewirr der Äste, vollführen akrobatische Sprünge und unterhalten alle ganz prächtig.
Während wir Gäste den Affen zusehen, bricht die Dämmerung herein und die Angestellten zünden überall Kerzen und das Lagerfeuer an. Es ist nicht kalt, aber das Feuer verbreitet gemeinsam mit den Kerzen eine Heimeligkeit, die gut tut.
Es gibt im Übrigen sehr wohl Strom hier. An der Rezeption und in der Küche zum Beispiel. Und auch die Toiletten hier im Aufenthaltsbereich haben elektrisches Licht. Für die Gäste stehen eine Reihe von Mehrfachsteckdosen und Reisestecker zur Verfügung, um ihre elektronischen Geräte aufzuladen. Damit habe ich nicht gerechnet, obwohl es eigentlich logisch ist. Internet hingegen ist Glückssache. Da sieht es noch recht spärlich aus.
In den Cabanas selber gibt es jedoch tatsächlich nur Kerzen. Und für den Weg dorthin ist eine Taschenlampe dringend zu empfehlen.
Keine Unterhaltung
Pünktlich 19 Uhr beginnt das Dinner. Ich sitze wie immer auf dieser Reise alleine an meinem Tisch. Das Essen ist auch hier viel zu viel. Nach der Suppe folgt das Hauptgericht mit Fleisch oder Fisch und einem Salat und anschließend wie üblich das Dessert. So viel kann man überhaupt nicht essen. Mich wundert überhaupt, dass es so viel gibt, denn schließlich muss der Großteil ja auch in den Urwald geschafft werden. Auf jeden Fall können sie auch hier prima kochen. Bis auf wenige Ausnahmen beim örtlichen Gemüse schmecken die Mahlzeiten.
Gemeinsam mit Clara spreche ich noch meine Ausflüge ab. Laut Reiseveranstalter sind mehrere mehrstündige Wanderungen vorgesehen und überhaupt sind meine Tage ganz schön vollgepackt. Ich beschließe am nächsten Tag erst einmal die kürzeste Wanderung mit 1,5h zum Ceibo zu machen und anschließend die Tierauffangstation Amazoonico zu besuchen. Und am Nachmittag mache ich gar nichts. Schließlich hab ich immer noch Urlaub und ich bin ja auch ohnehin einige Tage hier.
Trotzdem mache ich mich früh auf den Weg zu meinem kleinen Zimmer. Denn mit all den Franzosen die sonst noch da sind und ums Lagerfeuer sitzen kann ich mich nicht unterhalten. Keiner spricht Englisch. Und ich habe keine Lust still dabei zu sitzen und mich zu ärgern, dass ich heute keinen zum Reden habe.
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