In diesem Jahr – genauer am 19. Dezember – jährt sich der Geburtstag von Edith Piaf zum 100. Mal. Dieser kleinen, aber keineswegs unscheinbaren Person, die Mitte des 20. Jahrhunderts Frankreich, Europa und Amerika mit ihrer kraftvollen Stimme begeisterte. Die durch ihre Musik, ihre Chansons, aber auch durch ihren exhibitionistischen und umtriebigen Lebenswandel legendär wurde. Und die nach einem turbulenten Leben, gezeichnet vom unglaublichen Raubbau an ihrem Körper und ihrer Seele mit gerade einmal 47 Jahren starb.
Edith Piaf ist noch heute Musikliebhabern aus aller Welt ein Begriff. Die bekannte französische Interpretin unzähliger Chansons mit der legendären Stimme. Titel wie „Milord“, „La vie en rose“ und „Non, je ne regrette rien“, machen sie weltweit berühmt. Der Weg zu dieser Popularität aber ist steinig.
Im Dezember 1915 wird Edith Giovanna Gassion in einem Arbeiterviertel von Paris geboren. Sie ist Kind einer Sängerin und eines Akrobaten. Die Kindheit ist unerfreulich und entbehrungsreich. Kaum jemand kümmert sich um Edith. In den ersten sieben Lebensjahren wird sie von einem zum anderen gereicht, ist zwischenzeitlich sogar mit Blindheit geschlagen. Als sie ihr Augenlicht wieder erlangt, wird ihr Vater sie mit auf Reisen nehmen. Mehr schlecht als recht verdient sich das Duo sein Geld auf der Straße und im Zirkus. Dabei entdeckt Edith ihre beeindruckende Stimme mit der sie Zuhörer in ihren Bann schlagen und betören kann.
Mit knapp 16 Jahren muss sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Zurück in Paris singt sie auf der Straße. Mit dabei: ihre neue Freundin Momone, deren Freundschaft ebenso verhängnisvoll wie dauerhaft ist. Gemeinsam arbeiten und vergnügen sich die Mädchen jahrelang. Bis eines Tages Louis Leplée das Stimmwunder, die inzwischen 20jährige Edith hört.
Leplée ist Betreiber des Varietes Le Gerny´s und befehligt Edith in sein Etablissement. Nur 10 Tage später reüssiert La Mome Piaf, wie Edith ab sofort heißt, im Le Gerny´s. Das überraschte Publikum ist hingerissen, euphorisch angesichts der Präsenz und Inbrunst dieser kleinwüchsigen, eher grotesken Person von der Straße. Leplée wird ihr Förderer und Beschützer, bis man ihn wenige Jahre später ermordet.
Sein Nachfolger wird Raymond Asso, der sich fortan um die Ausbildung der noch immer ungezähmten Göre kümmert. Dank ihm wird aus dem Phänomen ein echter Star. Der Siegeszug der Edith Piaf in Paris, durch Frankreich, Europa, Amerika, die ganze Welt kann beginnen. Und mit ihm dreht sich das Liebeskarussell der prätentiösen Sängerin.
Piaf – grandiose Stimme und despotisches Wesen
Warum ich mir diese Biografie angeschafft habe? Da war wieder so ein Gedanke beim Blick aufs Buch: „Von der hast du schon mal was gehört, da hast du auch den Film gesehen. Die klingt nach ner interessanten Frau. Lies das mal.“ Klingt nicht sonderlich enthusiastisch. Aber habe ich die Entscheidung bereut? Nein.
So ein bisschen sperrig ist die Biografie schon. Das heißt, ich fand sie seitenweise irgendwie schwer zu lesen und sie hat nicht immer vermocht mich zu fesseln. Was daran liegen mag, dass ich vorher wirklich so gar nichts von Edith Piaf wusste – außer, dass sie eine französische Sängerin war. Da war es für mich teilweise recht schwer mit den Unmengen von Namen und Chanson-Titeln zurecht zu kommen.
Unbestritten ist ihr Leben sehr turbulent und spannend. Ein sehr interessanter Lesestoff, der hauptsächlich dramatischer Natur ist. Soviel Tragik und Leid, aber auch Erfolg in dieser kurzen Zeitspanne ist wahnsinnig beeindruckend. Inwieweit all die Berichte der Wahrheit entsprechen, lässt sich nicht sagen. Denn schon zu Lebzeiten hat Edith Piaf sich mit erfundenen Geschichten um ihr Leben in Szene gesetzt.
Fakt ist: Edith Piaf war eine äußerst bemerkenswerte Frau mit einer grandiosen Stimme. Aber privat hätte ich ihr nicht begegnen wollen. Despotisch und sadistisch sprang sie mit den sie umgebenden Menschen um. Erniedrigte Freunde und Kollegen und sich selbst, war unvernünftig und liebestoll, betrieb Raubbau an ihrem Körper und ihrer Seele. Dementgegen stehen Großzügigkeit und ihre Loyalität gegenüber einzelnen Vertrauenspersonen.
In jedem Falle eine – wie ich finde – anspruchsvolle Lektüre, die das Phänomen Edith Piaf näher beleuchtet. Die sich aber vermutlich nur für wirklich Interessierte und Fans lohnt.
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Autorenporträt
Jens Rosteck, geboren 1962, promovierter Musik- und Literaturwissenschaftler, lebt seit 1990 als Publizist, Musikforscher und Buchautor in Frankreich. Zu seinen Buchpublikationen gehören Doppelbiographien über Lotte Lenya und Kurt Weill und über Jane und Paul Bowles sowie Monographien zu Bob Dylan und Oscar Wilde. Bei Propyläen erschienen sind seine Biographien über Hans Werner Henze (2009) und Édith Piaf (2013).
Weitere Informationen über Jens Rosteck finden Sie unter www.jensrosteck.de.
Buchinfo
„Edith Piaf. Hymne an das Leben“ von Jens Rosteck, Biografie, erschienen März 2015 bei Propyläen
Hardcover: gebunden mit Schutzumschlag, 464 Seiten, € 22,99, ISBN-13 9783549074190
eBook: ePub, 464 Seiten, € 19,99, ISBN-13 9783843705066
Quellen
Bild + Autorenporträt: www.ullsteinbuchverlage.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
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