Montag, 1. Mai 2017
Die Kurzfassung:
Wir fliegen von Kuching über Kota Kinabalu nach Sandakan. Ich heule wie bekloppt, weil ich unsinnigerweise Abschiedschmerz habe. Von Sandakan fahren wir zum Sepilok Nature Resort direkt neben dem Sepilok Orangutan Rehabilitation Centre.
Beim Spaziergang durch das Resort entdecke ich ganz für mich allein zwei Rhinozeros Hornvögel. Sie sitzen direkt über mir im Baum und ich kriege mich gar nicht mehr ein vor Freude. Tom fürchtet um meine Verfassung.
Später haben wir eine nächtliche Führung in Sepilok durch einen Ranger. Das Gelände ist rammelvoll mit anderen Touristen. Bei einem Abstecher entdecken wir zwei schlafende Orang Utans und ich heule schon wieder. Heute Abend brauche ich einen Schnaps. Ach ja, das Wetter war super. Draußen schien die Sonne und es war heiß. Haben wir im Flughafen und im Flieger nur nicht mitbekommen.
Und jetzt ausführlich:
Heute ist ein Reisetag. Wir fliegen von Kuching, Sarawak über Kota Kinabalu nach Sandakan in Sabah, dem nördlichen Bundesstaat von Borneo. Der Tag wird voller Überraschungen stecken, er wird weitaus aufregender und emotionaler als ich es noch am Morgen für möglich halte.
Schon im Flugzeug nach Kota Kinabalu die erste Überraschung: ich heule wie verrückt. Obwohl schon vor Tagen von Matang abgereist, macht der Flug meinen Abschied von Aman, dem schönen Orang Utan-Mann so real. Bis dato war er noch irgendwie in meiner Nähe. Gefühlt zumindest. In der guten Stunde im Flieger kann ich mich gar nicht beruhigen. Immerhin die zweite Etappe nach Sandakan verläuft etwas tränenfreier. Aus dem Flugzeug kann ich einen Blick auf den Gipfel des Gunung Kinabalu oder Mount Kinabalu werfen, den höchsten Berg Malaysias mit 4095 Metern. Er versteckt sich zwischen weißen Wolken. Da wir nicht besonders hoch fliegen, kann ich auch gut auf die Regenwälder im Inland und die darin versteckten Dörfer schauen. Besonders faszinieren mich die verschnörkelten Flussläufe, die sich als braune Bänder durch den grünen Dschungel ziehen.
Fremdkörper im Regenwald
Kurz vor Sandakan muss ich doch noch einmal die Taschentücher auspacken. Von oben sieht man ganz deutlich wo Regenwald wächst und wo Ölpalmen. Scharf abgegrenzt und symmetrisch in Reihen angeordnet sind die Palmölplantagen gut erkennbar. Wie Fremdkörper drängen sie sich in den wilden Wald. Das zu sehen macht mich wütend und traurig. Ich muss zuhause echt aufpassen, dass ich weniger Produkte mit Palmöl oder Palmfett kaufe. Denn Europa ist einer der vielen Importeure von Palmöl und damit ebenso verantwortlich für die Abholzung des Regenwaldes wie die Malaysische Regierung und die Wirtschaft vor Ort. (Gerade habe ich dazu zwei interessante Artikel/Websites gefunden – Pro und Contra.)
Ankunft im Sepilok Nature Resort
Nach der Landung in Sandakan werden wir gleich ins Sepilok Nature Resort gebracht. Dieses liegt direkt neben dem Sepilok Orangutan Rehabilitation Centre. Die Anlage ist um einen kleinen See herum angelegt. Mit Plankenwegen, kleinen Bungalows, viel Natur drum herum. Ein Langhaus dient als Rezeption, Restaurant und bietet viel Platz zum Entspannen. Vor jedem Bungalow stehen eine Hängematte sowie ein Tisch mit zwei Stühlen. Die Inneneinrichtung ist komfortabel. Ich bin begeistert.
Für die Zeit der Dämmerung, also ca. 18 Uhr ist ein Nachtspaziergang auf dem Gelände des Sepilok Centre geplant. Bis dahin ist noch etwas Zeit. Wie immer packe ich gar nicht richtig aus, sondern lasse nur meine Tasche in die Unterkunft bringen. Ich ziehe mich schnell um, schnappe mir Fernglas, Kamera und eine Flasche Wasser und erkunde das Resort.
Entzückt betrachte ich all die vielen exotischen Pflanzen, die es hier gibt. Natürlich auch endlich mal eine echte wilde Orchidee, die ganz natürlich an einem Baum wächst.
Herzklopfen und zittrige Hände – ich entdecke 2 Rhinozeros Hornvögel
Von der anderen Seite des kleinen Sees ruft mich Tom, der mit einem Fernglas bewaffnet ebenfalls unterwegs ist. Er ist auf der Suche nach Hornvögeln. Gerade hat er einen entdeckt und wir pirschen uns so nahe wie möglich wenigstens an den Baum auf dem er sitzt. Es ist ein Wrinkeld Hornbill. Es gibt ganz viele Arten von Hornvögeln. Der König davon, weil der Größte seiner Art, ist unbestritten der Rhinozeros Hornvogel, den wir suchen. Mit seinem bunten, nach oben gebogenen Horn auf dem Schnabel ist er unverkennbar. Im Gegensatz zu all den anderen Hornvögeln. Keine Ahnung wie Tom die alle auseinander halten kann. Aber es ist so aufregend.
Eine Weile streifen wir gemeinsam durchs Areal, bis Tom zurück auf die Terrasse geht und ich allein noch etwas herum laufe. Als auch ich 15 Minuten später wieder auf dem Weg zur Terrasse bin, raschelt und krächzt es über mir. Beim Blick nach oben traue ich meinen Augen kaum. Direkt über mir im Baum sitzen zwei Rhinozeros Hornvögel. Ich kann Euch kaum beschreiben, was für ein Gefühl das ist. Gänsehaut, Herzklopfen, zittrige Hände, Tränen in den Augen (schon wieder). Das Grinsen auf meinem Gesicht lässt mich vermutlich völlig debil aussehen, aber ich krieg das nicht richtig mit. Und ich bin ja eh allein hier.
Wie so oft auf dieser Reise fühle ich mich gesegnet, das erleben zu dürfen. Es ist für mich so besonders, diese gefährdeten Vögel zu sehen, ein Geschenk. Ich beobachte die beiden Tiere eine Weile, versuche auch Fotos zu machen. Aber die werden nur verwackelt.
Wie ein aufgescheuchtes Huhn
Wie ein aufgescheuchtes Huhn laufe ich schließlich zu Tom, um ihm von meiner Entdeckung zu berichten. Aber natürlich hat er die Vögel von seinem Aussichtspunkt auch gesehen. Grinsend fragt er mich, ob ich gleich einen Höhepunkt kriege, weil ich so außer mir bin. Pfff. Ich versuche es zwar, aber weiß nicht, ob ich ihm verständlich machen kann, wie sehr mich hier alles beeindruckt und wie bewegend das für mich ist.
Wir haben uns schon bei anderen Gelegenheiten über meinen Besuch in Matang und mein Interesse für Orang Utans unterhalten. Auch jetzt kommen wir darauf zurück aufgrund der Nähe des Rehabilitation Zentrums. Tom will sein Bestes geben, um einen richtig wilden Orang Utan für mich zu finden. Später, wenn wir am Kinabatangan sind und mitten im Regenwald.
Vorsicht vor Skorpionen und fiesen Raupen
Erst einmal geht es aber jetzt nach nebenan ins Orangutan-Centre. Die Ranger dort dürfen sich am Abend, wenn das Zentrum geschlossen hat, mit Nachtführungen von Touristen etwas dazu verdienen. Wir werden also nicht die einzigen sein, die in diesen Genuss kommen. Es wird sogar ziemlich voll werden auf den Plankenwegen durch den Dschungel. Nur Gudrun bleibt wie so oft in den nächsten Tagen im Resort.
Als allererstes werden wir davor gewarnt, die Geländer der Plankenwege zu berühren. In den Holzritzen sitzen Skorpione versteckt, die auf Beute lauern, aber auch kleine Raupen können gefährlich werden und einen schmerzhaften Juckreiz verursachen. Beide Tiere werden uns auch gezeigt. Darüber hinaus sehen wir eine große Spinne, Stabinsekten und eine Schlange. Die Ausbeute ist nicht besonders heute, aber da steckt man ja nicht drin. Als Tier würde ich mich auch woanders aufhalten als direkt an diesem Weg, der so viel begangen wird.
Die Überraschung macht mich fassungslos
Wir kommen zu einem Gebäude und plötzlich bedeuten Tom und der Ranger uns ganz still zu sein. Als wir um die Ecke treten, traue ich meinen Augen kaum. Auf einem kleinen Vordach aus Beton liegt ein junger Orang Utan und schläft! Oh mein Gott!
Sofort toben in mir wieder die Emotionen. Der Ranger führt uns eine kleine Treppe hinauf zu einer Anhöhe von der aus wir einen besseren (und sichereren) Blick auf den Affen haben. Während die anderen auf der Treppe noch eine Schnecke bewundern, kann ich nur noch an den Orang Utan denken. Von der Anhöhe aus beleuchtet Tom das schlafende Tier mit dem matten Licht aus seiner Taschenlampe. Ich sehe es nur durch einen Tränenschleier und schniefe vor mich hin. Ich kann mich gar nicht beruhigen und bin froh, dass keiner Fragen stellt.
Nach ein paar Minuten ziehen wir uns zurück und gehen in Richtung Ausgang. Es wartet eine weitere Überraschung. Auch dort liegt auf einem Tisch auf einer Veranda ein schlafender junger Orang Utan. Ich bin völlig fertig. Während Tom und Angelika und noch jemand auf die Veranda steigen, bleibe ich wie angewurzelt davor stehen. Ich finde es falsch, dem Tier so nahe zu kommen. Schon jetzt habe ich den ursprünglich vom Reiseveranstalter vorgegebenen Sicherheitsabstand von 25 Metern deutlich unterschritten. Je nachdem wen man fragt, reicht ein Sicherheitsabstand von 6 oder gar 3 Metern. Mir persönlich ist das zu dicht. Nicht unbedingt aus Angst, sondern sagen wir Respekt und weil ich finde, der zu enge Kontakt mit Menschen ist für die Auswilderung nicht förderlich. Denn auch in Sepilok ist das Ziel, die hier lebenden Tiere in die Wildnis zu entlassen.
Als der Orang Utan auf seinem Tisch wach wird und sich bewegt, ziehen sich die anderen auch wieder zurück. Und da ruft auch schon der Ranger nach uns. Auf dem nahen Parkplatz hat jemand einen Plumplori entdeckt. Ich muss sofort an Kathrin in Matang denken, die ja gerade einen solchen pflegt. Das putzige Tier hier sitzt auf einem Baum hoch oben. Nur mit genauem Hinsehen kann ich es im Taschenlampenkegel ausmachen. Es versteckt sich. Ich bin auch nicht mehr wirklich aufnahmebereit und versuche nicht einmal ein Bild zu machen auf dem es dann zu 95% nur Dunkelheit zu sehen geben wird.
Keine Tränen mehr, aber ich brauche heute einen Cocktail
Unsere Tour ist ohnehin zu ende. Es geht zurück ins Nature Resort. Am Ausgang stehen schon einige andere Ranger, die ihre Gruppen bereits entlassen haben. Ich drücke unserem Führer seinen Lohn in die Hand und bedanke mich von Herzen. Er sagt mir, ich bräuchte nicht mehr zu weinen und ich erkläre ihm, dass es Freudentränen waren und ich ihm sehr dankbar bin für dieses Erlebnis.
Später erfahre ich, dass wir eine Sondertour hatten und nicht alle anderen Gruppen auch die Affen gesehen haben. Denn eigentlich ist dieses Areal nicht öffentlich bzw. gehört nicht zu offiziellen Nachttour. Weil wir so wenig gesehen haben, bat Tom den Ranger uns zum Trainingsareal der jungen Affen zu führen. Und der hat das offenbar gemacht. (Einerseits bin ich natürlich froh, dass nicht die Horden von Touristen die wir sahen alle dort durchgelaufen sind und ja, auch um dieses Privileg für uns. Andererseits finde ich diese Ausnahmen aber auch falsch, weil ich denke, sie sind nicht gut für die Tiere. Für die Ranger bedeutet es aber wohl auch mehr Trinkgeld, wenn sie die Touristen zufrieden stellen. Eine Zwickmühle.)
Zurück im Resort bin ich fertig mit der Welt. Zum Abendessen gönne ich mir daher einen Wassermelonen-Tequila – der einzige Alkohol, den ich auf der Reise trinke. Dieses Auf und Ab an Gefühlen und die tierischen Entdeckungen heute habe ich nicht erwartet. In meinem Kopf herrscht Chaos, dass ich mit dem abendlichen Ritual des Tagebucheintrages erst einmal verarbeiten muss.
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