Sonntag, 23. April 2017
Die Kurzfassung:
Ankunft in Kuching – kein Empfangskomitee. Lande schließlich doch im Matang Wildlife Centre. Nach dem Essen gibt’s eine mehrstündige Führung durchs Gelände. Erster schlimmer emotionaler Zwischenfall am Orang Utan-Gehege. Der Centre-Leiter Leo erzählt viele Geschichten über die Tiere (Sonnenbären, Orang Utans, Gibbons, Hornvögel, Silberhaubenlanguren, Nebelparder, Binturongs, Sambar Wild, Eulen, Krokodile, etc.) und das Hilfsprogramm. Am Abend noch ein Nachtspaziergang. Anschließend falle ich todmüde ins Bett. Wetter heute war sonnig und sehr heiß.
Und jetzt ausführlich:
Es ist 11 Uhr Ortszeit und ich habe eine lange Reise hinter mir. Wenn auch nicht dramatisch, so ist die kleine Panne bei der Abholung doch in dem Moment wenig erfreulich. Aber nach etwas Wartezeit werde ich schließlich ins Matang Wildlife Center des Project Orangutan gebracht. Das ist nur eine Fahrt von 45 Minuten, wie ich zufrieden feststelle. Als ich aus dem klimatisierten Auto steige, trifft mich … naja, nicht der Schlag, aber es ist natürlich unheimlich heiß und schwül. Der Fahrer will mich zu Leo Biddle bringen, dem Leiter des Zentrums. Leider ist der nicht gleich zu finden und so lässt der Fahrer mich mit meinem Gepäck gefühlt einmal rund ums Gelände laufen. Ich bin ein bisschen genervt, aber auch zu stolz um ihn zu bitten, meine Reisetasche zu tragen.
Schließlich finden wir Leo bei den Gästeunterkünften und ich treffe auch gleich meine beiden Mitstreiter für die nächsten beiden Tage. Ein deutsches Pärchen, das bereits zum 4. Mal auf Borneo ist, Regina und Oliver. Nach einem kurzen Gespräch und dem Mittagessen – oder Lunch, wie man hier sagt – geht es gleich in die Vollen.
Leo ist wie gesagt der Leiter dieses Rehabilitationszentrums für Tiere. Er ist Brite und bereits seit neun Jahren hier. Er kennt viele Geschichten, die ich leider nicht alle behalten konnte. Ihm zur Seite steht im Moment die deutsche Veterinärin Kathrin. Sie engagiert sich seit einigen Jahren an verschiedenen Stellen für die Tierauswilderung und hat sich nun auf Orang Utans bzw. Affen spezialisiert. Die beiden starten mit uns nach dem Essen die Tour durch das Matang Wildlife Center. Das Gelände liegt mitten im Regenwald, aber es sind zu den Gehegen der Tiere einfache Wege angelegt. Wir besuchen als erstes die Sonnenbären oder auch Malaienbären genannt. Von unserer erhöhten Beobachtungsplattform können wir in das große Gehege der Bären schauen, das derzeit sechs Tiere beherbergt. Hinter den Kulissen gibt es noch drei weitere Sonnenbären, die aber nicht raus dürfen, weil sie immer wieder ausbrechen.
Verliebt in Aman
Als nächstes sind einige Meter weiter die Orang Utans dran. Auch hier gibt es einen Beobachtungturm, da auch diese Gehege von Betonmauern umgeben sind. Leo lässt sich auf einer Bank nieder und stellt uns Aman vor. Aman ist ein Orang Utan–Mann, der allein in seinem Gehege sitzt. Die Versuche ihn auszuwildern schlugen fehl, weil er immer wieder zurück kam. Und inzwischen ist er so gut wie blind und eine Auswilderung ist nicht mehr möglich.
Aman sitzt auf dem Gras in einer schattigen Ecke und döst vor sich hin. Sein rotes gepflegtes Fell leuchtet richtig vor dem grünen Untergrund. Als Leo beginnt zu erzählen, hebt er seinen stattlichen Kopf mit den breiten Backen und sieht scheinbar zu Leo hoch. Mir steigen sofort die Tränen in die Augen und ich bin völlig überwältigt von meinen Emotionen. Ich kann gar nicht mehr aufhören zu heulen.
Es macht mich schrecklich traurig, diesen wunderschönen Affenmann in seinem Gefängnis zu sehen. Denn das mutet nicht sonderlich heimelig an. Von Beton umgeben, der Boden großteils von Gras bewachsen, eine Holzkonstruktion zum Raufklettern – mehr gibt es nicht. Ich denke, was wohl so ziemlich alle Besucher denken: Kann man das nicht schöner und freundlicher gestalten? (Später werde ich erfahren, dass den Mitarbeitern hier strenge und enge Grenzen gesetzt sind und es tatsächlich wenig bis keine Möglichkeiten gibt, bessere, tierfreundliche Gehege zu bauen.)
Während ich mit meinen Tränen kämpfe, erzählt Leo weiter. Auch die Geschichte der im Nachbargehege untergebrachten weiblichen Orang Utans und der Jungtiere. Die Rehabilitation stockt nämlich gerade, weil die Tiertrainer zu alt sind und noch kein Ersatz gefunden ist. Wenn ich das richtig verstanden habe, heißt das, dass die bisher im Training befindlichen Tiere nicht mehr geschult werden und damit die Chance auf Auswilderung vertan ist.
So viele Infos und traurige Geschichten
Wir gehen schließlich weiter. Zum Käfig in dem Orang Utan – Mann Peter untergebracht ist und noch weiteren Käfigen mit jüngeren Orang Utans. In einem abgetrennten Gehege wird gerade ein noch ganz junger Orang Utan von seiner Betreuerin zum Klettern animiert. Aber wir Besucher sind natürlich viel interessanter.
Weiter geht es vorbei an Käfigen mit verschiedenen Vögeln und kleineren Affenarten wie Gibbons und Makaken. Einer der Gibbons wirft mit Essen und Kot – aber nur auf Männer. Etwas versteckter im Wald stehen noch mehr Käfige mit Binturongs und Nebelpardern, Schlangen, Eulen, Krokodilen, Schildkröten und auch ein Wildtiergehege mit „Sambar-Deer“, einer Hirschart gibt es. Zu allem hat Leo etwas zu erzählen. Kathrin hat uns inzwischen verlassen, weil die Pflicht ruft.
Mit Köpfen voller Informationen und (zumeist trauriger) Geschichten beenden wir nach ca. 4 Stunden den Rundgang. Bald ist es Zeit fürs Abendessen. Und anschließend gibt es noch einen Nachtspaziergang. Dazu bekomme ich entsprechende Schutzkleidung: Blutegelsocken. Das sind übergroße babyhellblaue Stoffsäcke in Sockenform mit einem Band am Bund. Sie sollen die Blutegel davon abhalten sich an einem festzusaugen. Also Hosen anziehen, über die Hosen erstmal meine eigenen Socken, dann die traumhaften blauen Strümpfe drüber und dann in die Schuhe rein. Ungemein kleidsam, wie ein Foto beweist.
Topmodisch auf Nachtspaziergang
Bei der Nachtwanderung entdecken wir nicht allzuviel. Spinnen, eine Motte, einen Gecko. Eine verletzte Heuschrecke wird eingesammelt und mitgenommen. Sie ist ein kulinarisches Geschenk für Kathrins Sorgenkind, einen Slow-Loris, dem die Haare ausgefallen sind. Wie so viele andere wurde er als Haustier gehalten in einem viel zu kleinen Käfig.
Es ist noch nicht sonderlich spät als wir zurückkehren zu den Unterkünften, aber ich ziehe mich trotzdem zurück und falle nach einer erfrischenden Dusche todmüde in eines der Betten in meinem Schlafzimmer.
Meine Unterkunft hier ist übrigens spartanisch, auch wenn sich das ganze als „Chalet“ bezeichnet. In dem Chalet sind ein Gemeinschaftsraum und zwei Schlafräume mit je zwei großen Betten, Schrank, Dusche und Toilette. Die Einrichtung ist spartanisch und zweckmäßig. Weder neu noch schön, aber den Umständen entsprechend sauber. Die Dusche besteht aus einem Schlauch mit einem Durchlauferhitzer, so dass man bei Bedarf warmes Wasser hat. Abgesehen davon, dass ich nicht unbedingt eine Spinne in meiner Dusche brauche, habe ich mich damit auch recht wohl gefühlt. Denn die Betreuung war überaus freundlich und sehr intensiv. Und natürlich war ich ja wegen den Orang Utans und der Arbeit des Zentrums an sich da – nicht um luxuriös zu nächtigen und gebauchpinselt zu werden.
O.k., feuchte Augen hab ich jetzt auch.. Hatte ich ja schon gesagt, dass mir das auch immer sehr zu Herzen geht, wenn ich Orangs SO sehe… Aber sie sind wirklich unglaublich!
Und die Malaienbären sowieso 🙂 Und die Agame…und überhaupt ❤ Bei dem Nebelparder wäre ich wahrscheinlich völlig dahingeschmolzen!
Das klingt alles wirklich aufregend, beeindruckend…mir gehen irgendwie die Worte aus! Danke, dass Du uns mitnimmst und teilhaben lässt!
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Hallo Bine,
*g* danke Dir. Es geht Dir wie mir. Es gibt gar nicht genug Worte, um all die Eindrücke und Gefühle zu beschreiben. Obwohl ich so viel geschrieben hab. Auch vor Ort wusste ich schon nicht, wie ich ausdrücken sollte wie nahe mir das alles geht und wie sehr es mich beeindruckt. Ich hoffe, die anderen Berichte gefallen Dir auch.
Liebe Grüße
Sanne
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