Eine Datscha unweit Moskaus. Abgelegen und in einsamer Gegend beherbergt sie eine ganze Mannschaft an Angestellten. Sie alle arbeiten für einen Mann. Einen alten Mann. Er leidet seit Jahren an Demenz, sein geistiger Verfall schreitet immer weiter voran. Ein Trauerspiel angesichts der Tatsache, dass er einst der mächtigste Mann Russlands war: Wladimir Putin.
Es ist schon sechs Jahre her, dass Kolja Scheremetew der Job des privaten 24Stunden-Krankenpflegers angeboten wurde. Ausgerechnet der demente Wladimir Wladimirowitsch Putin ist sein Schützling. Jetzt ist der einst mächtigste Mann Russlands auf einer Datscha nahe Moskau abgestellt. Neben seinem Pfleger umgibt ihn eine beachtliche Anzahl an Angestellten, die für sein leibliches Wohl und die Sicherheit sorgen sollen: Köche, Gärtner, Putzpersonal, Wachmänner, etc. pp.
Kolja ist ein grundehrlicher Mensch. Noch nie in seinem Leben hat er etwas gestohlen, sich bestechen lassen oder sich anderweitig einen Vorteil verschafft. Das brachte ihm den nicht positiv gemeinten Spitznamen „Heiliger Kolja“ ein. Denn in Russland stielt jeder, lässt sich bestechen oder verschafft sich anderweitig Vorteile. Allen voran die Machthaber im Land. Angelernt vom Besten der Besten: Wladimir Putin.
Für Kolja allerdings ist Wladimir nur ein Patient, um den es sich zu kümmern gilt. Den er anziehen muss und füttern, mit dem er spazieren geht und dem er ständig die gleichen Dinge sagen muss. „Wer sind Sie?“ fragt Wladimir in mehrmals täglich. Und Kolja antwortet geduldig „Scheremetew, Ihr Pfleger“. Zwischendurch verliert Wladimir sich auch immer wieder in Gesprächen mit ehemaligen Oligarchen, Politikern oder Gegnern.
Als eine neue Hausdame in die Datscha kommt, wird der ehrliche Kolja mit unfassbaren Machenschaften konfrontiert. Jeder, aber wirklich jeder außer ihm, ist in Betrügereien verwickelt und scheffelt Geld über die reguläre Bezahlung hinaus. Sei das der Koch, der einen besonderen Deal mit seinem Lieferanten hat oder die Chauffeure, die nebenher einen Fahrdienst mit den Karossen des Chefs betreiben.
Kolja ist entsetzt. Auch darüber, dass sein Neffe Pascha im Knast landet, als er im Internet über Putin und dessen Betrügereien schreibt. Auch die neue Regierung wird gleich mit abgewatscht. Paschas Vater wendet sich hilfesuchend an Kolja. 300.000 Dollar sollen sie aufbringen, um den Anwalt zu bestechen, damit Pascha wieder frei kommt. Eine schier unerreichbare Summe. Wo soll die nur herkommen?
Angestachelt von dem Wissen um all die Betrügereien um sich, beginnt auch der heilige Kolja sich den Kopf zu zermartern, wie er an das Geld kommen könnte.
Komisch, aber nicht seicht
„Mächtig senil“ ist ein satirisches Buch. Ich mag Satire sehr. Und doch war es für mich nicht ganz so unterhaltsam wie erhofft. Das lag teils am Ausmaß der geschilderten Korruption, teils an der Schilderung der fortschreitenden Demenz und teils an der Naivität sowie dem Pech von Kolja.
Grundsätzlich ist es ein unterhaltsames Buch. Ich habe durchaus mehrfach geschmunzelt, vornehmlich in den ersten zwei Dritteln des Buches.
Obwohl Demenz eine furchtbare Krankheit ist, bietet sie natürlich viel Gelegenheit Wladimir und Kolja in komische Situationen zu bringen. Und auch für komische Dialoge. Auch die nach und nach aufgedeckten Mauscheleien und Betrügereien der Angestellten, sind durchaus amüsant und lassen einen nur hin und wieder den Kopf schütteln. Der Einfallsreichtum nötigt einem einen gewissen Respekt ab.
Für die nötige Spannung sorgt das familiäre Problem, weil man natürlich mitfiebert, wie Kolja sich wohl verhalten wird. Bleibt er „heilig“? Hat er Glück und kann das Geld auf legalem Wege beschaffen? Oder reiht er sich in die Reihen des korrupten Personals ein?
Ach ja, und die Namen. Wieder sind es die Namen, die mich verwirren. Denn jeder hat irgendwie mehrere Namen. Mal wird der Vorname genannt, mal beide Vornamen, dann nur der Nachname und dann wieder der Spitz-/Kosename. Da wusste ich manchmal nicht mehr, wer gemeint ist – ob der Gärtner oder der Fahrer oder jemand aus Wladimirs Vergangenheit. Vielleicht liegt das aber allgemein an den langen russischen Namen.
Wenn Ihr selbst herausfinden wollt, wie Kolja sich entscheidet, dann solltet Ihr das Buch lesen. Es ist bissig, teilweise morbide und zeigt ein so korruptes Land, wie ich es mir nicht in meinen schlimmsten Träumen ausmalen könnte. Inwieweit das mit der Realität überein stimmt, vermag ich nicht zu sagen. Bin allerdings geneigt, den Großteil zu glauben. Im Zusammenhang mit der Demenz, entbehrt die Lektüre natürlich nicht einer gewissen Komik. Aber man sollte nicht den Fehler begehen und es als seichte und lockere Sommerlektüre ansehen.
Was mir das Buch doch etwas vergällt hat – Achtung Spoiler:
Im letzten Drittel des Buches habe ich dann nicht mehr geschmunzelt. Jedwede Unterhaltung im positiven Sinne war wie weggeblasen. Die Naivität Koljas, die zu Anfang noch irgendwie charmant wirkt, veranlasst mich zunehmend zum Augenrollen. Sein Versuch der Unehrlichkeit und des Diebstahls schickt mir ob der regelrechten Dummheit kalte Schauer über den Rücken. Das Pech und sein Hang sich wegen seiner Gutgläubigkeit übers Ohr hauen zu lassen, bereiten mir körperliche Schmerzen. Oft habe ich mich beim Lesen gewunden wie eine Schlange die sich häutet, weil es mir echt unangenehm war das zu lesen. Erst recht als er beim Versuch zu bescheissen, selbst beschissen und vollkommen ausgebootet wird. Es ist die pure Qual.
Ich bin zu sehr Romantikerin um nicht auf ein Happy End zu hoffen – aber es gibt Bücher, da ist ein solches völlig fehl am Platze und würde unglaubwürdig wirken. Darauf lässt der Autor sich gottseidank auch nicht ein. Zufrieden bin ich trotzdem nicht, weil mich das Buch irgendwie frustriert zurück lässt.
Autorenporträt
Michael Honig ist ein ehemaliger Arzt, der mit Ehefrau und Sohn in London lebt. Für seinen satirischen Debütroman „Goldblatt’s Descent“, der über das britische Gesundheitssystem handelt und 2013 bei Atlantic Books erschien, heimste er in seiner britischen Heimat bereits viel Lob ein. Mit der Politsatire „Mächtig senil“ erscheint Honig erstmals auf Deutsch.
Buchinfo
„Mächtig senil. Die unglaublichen Pflegejahre des Wladimir P.“ von Michael Honig, erschienen bei Droemer
Taschenbuch: Klappenbroschur, 384 Seiten, € 14,99, ISBN: 978-3-426-30526-3
eBook: 368 Seiten, € 12,99, ISBN: 978-3-426-43831-2
Quellen
Bild+Autorenporträt: www.droemer-knaur.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
Wenn Ihr das Buch gelesen habt, schreibt mir doch wie es Euch gefallen hat. Ich freue mich auf Eure Meinungen