Franzobel: Das Floß der Medusa

Vor einigen Wochen erzählte ich Euch von meiner Begegnung mit Franzobel bei den Stuttgarter Buchwochen. Nun habe ich mich an die Lektüre von „Das Floß der Medusa“ gewagt. Die Geschichte eines Schiffbruchs und seine tragischen Folgen aus dem Jahre 1816. Mein Fazit ist leider nicht so positiv wie ich mir gewünscht habe.

_Das Floß der MedusaFrankreich hat seine Kolonie im Senegal von Britannien zurück erhalten. Also entsenden sie im Jahr 1816 einen Schiffsverband mit Siedlern und Soldaten sowie diversen Würdenträgern, die vor Ort Frankreich wieder stolz machen sollen. Neben drei anderen Schiffen wird auch die Fregatte Medusa unter Kapitän De Chaumareys entsandt. Selbiger hat seit mehr als 20 Jahren kein Schiff mehr geführt. Zudem wird der Kapitän vom Hochstapler Antoine Richeford, einem Passagier, so schwer beeindruckt, dass er diesen zum Steuermann ernennt. Fortan müssen alle Dienstgrade an Bord dem ahnungslosen, aber wichtigtuerischen Mann gehorchen.
Durch die skandalöse Ahnungslosigkeit der Schiffsführung läuft die Medusa schließlich auf der gefürchteten Arguin-Sandbank vor Mauretanien auf Grund. Die dilettantischen Befreiungsversuche scheitern. Nach wenigen Tagen lässt der Kapitän die Fregatte evakuieren. Da die Beiboote nicht für alle 400 Menschen an Bord reichen, wird ein Floß gezimmert, welches von den Booten an Land geschleppt werden soll.
Die Verbindungsleine zwischen Booten und Floß wird jedoch bald gekappt. Etwa 150 Menschen treiben nun auf der provisorischen Holzinsel steuerunglos auf dem Meer. Der Platz ist knapp, ohnehin stehen die Menschen hüfthoch im Wasser, und der Proviant ebenso.
Nach wenigen Tagen hat sich die Anzahl der Menschen auf dem Floß rapide gesenkt – ebenso wie die Moral. Der dafür gestiegene Überlebenswille, setzt jegliche Menschlichkeit außer Kraft. Man massakriert sich gegenseitig und beginnt schließlich die Toten zu essen.
Nach mehr als 10 Tagen findet schließlich eines der anderen Schiffe das Floß und mit ihm 15 Überlebende. Kapitän De Chaumareys lässt es sich zu dieser Zeit bereits am Zielort Saint Louis gutgehen – ebenso wie der frischgebackene Hafenmeister Richeford.

Ohne Atmosphäre

Obwohl das Thema ja alles andere als leicht ist, habe ich mich auf die Lektüre gefreut. Eine tragische und ziemlich gruselige wahre Begebenheit nacherzählt als Historischer Roman. Klingt nach genau dem richtigen Buch für mich. Natürlich hat mich auch die Frage- und Antwort-Stunde mit dem Autor Franzobel zusätzlich neugierig gemacht.
Letztendlich habe ich mich aber ziemlich durch das Buch kämpfen müssen. Ich fand es in zweifacher Hinsicht schwer zu lesen. Zum einen natürlich das Thema: Ein unfähiger Kapitän, ein ebenso unfähiger Steuermann, Offiziere, die sich nicht durchsetzen können, schließlich die Gewaltorgien auf dem Floß, die Unmenschlichkeit im Miteinander und natürlich der Kannibalismus.
Zum anderen aber auch der Schreibstil. Wir haben einen Erzähler, der teilweise flapsig kommentiert und immer wieder aktuelle Dinge einfließen lässt – seien das Begebenheiten oder Worte wie Whistleblower oder medizinische Begriffe wie Dermatologe. Das passt für mich nicht zum historischen Kontext. Dazu wird viel gesprochen, doch dies wird nicht in den üblichen Anführungsstrichen gekennzeichnet. So ist es oft schwer zwischen Gespräch und Erzählung zu unterscheiden. Das hat mich zugegeben ziemlich genervt, weil ich so vieles doppelt lesen musste. Es gibt außerdem immer wieder kursiv markierte Sätze, aber ich habe nicht herausgefunden was die darstellen sollen. Die Gedanken des Erzählers? Oder die des Autors?
Alles in allem hat mich die Lektüre nicht so mitgerissen und beeindruckt wie erwartet. Für mich fehlte die Atmosphäre. Der Autor hat zwar die grässlichsten Dinge beschrieben, aber ich habe – bis auf in einer Szene auf Seite 452 – nichts gefühlt.

 

Autorenporträt
Franzobel, geboren 1967 in Vöcklabruck, ist einer der populärsten und polarisierendsten österreichischen Schriftsteller. Er erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Ingeborg-Bachmann-Preis (1995), den Arthur-Schnitzler-Preis (2002) und den Nicolas Born-Preis (2017). Bei Zsolnay erschienen zuletzt die Krimis „Wiener Wunder“ (2014) und “ Groschens Grab“ (2015) sowie 2017 sein Roman “ Das Floß der Medusa“, für den er auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand und den Bayerischen Buchpreis erhielt.

Buchinfo
„Das Floß der Medusa“ von Franzobel, erschienen bei Zsolnay
Hardcover: 592 Seiten, € 26,00, ISBN 978-3-552-05816-3
eBook: 592 Seiten, € 19,99, ISBN 978-3-552-05843-9

Quellen
Bild/Autorenporträt: www.hanser-literaturverlage.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne

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