Bei den vielen Büchern die ich über das Jahr hinweg lese, ist zwischendurch immer mal wieder eins dabei, das mich besonders berührt. „Damit ihr mich nicht vergesst“ ist eines dieser Bücher. Ein Buch über einen außergewöhnlichen Rabbi und einen nicht minder außergewöhnlichen Pastor und dazwischen einen Abtrünnigen Glaubensbruder. Ganz automatisch fragte ich mich nach der Lektüre, woran ich selbst glaube und wie schnell ich selbst den „zweiten Tod“ sterbe und dem Vergessen anheimfalle.
Mitch Albom ist überrascht und verwirrt als sein betagter Rabbi Albert Lewis ihn bittet nach seinem Tod die Trauerrede zu halten. Zum einen hat Mitch seine Religion schon lange Zeit beiseitegeschoben und zum anderen sieht er den Rabbi lediglich einmal im Jahr. Der Kontakt ist also mehr als dürftig.
Dennoch willigt Mitch ein, stellt jedoch die Bedingung den Rabbi bei einigen Gesprächen näher kennenzulernen. Dieser ist einverstanden. Aus den anfänglich „einigen Gesprächen“ wird eine acht Jahre andauernde Beziehung zwischen den beiden Männern. Immer wieder besucht Mitch den Rabbi, vor dem er jahrelang Angst hatte und davon lief. Doch den früher Ehrfurcht gebietenden Rabbi in seinem Haus mit Socken in Sandalen, Bermuda-Shorts und buntem Hemd zu sehen, verunsichert den jungen Reporter fast noch mehr.
Bei den vielen Treffen erörtern die Männer nicht nur theologische Fragen, sondern unterhalten sich im wahrsten Sinne über Gott und die Welt. Der Glaube ist des Rabbis Lebensinhalt. Dies zeigt sich unter anderem in seiner Nächstenliebe, seinem unermüdlichen Bestreben anderen Gutes zu tun. Überdies ist er ein überaus fröhlicher Mensch, der ständig singt und über viel Humor verfügt.
Gleichzeitig lernt Mitch den Pastor Henry Covington kennen. Dieser arbeitet mit einer winzigen Gemeinde in einer zwar riesigen, aber völlig maroden Kirche. Das Dach ist kaputt, es regnet hinein, die Heizung wird im Winter abgestellt und der Pastor hat keine Geldquelle um die Probleme zu lösen. Dennoch bietet er in dem recht unwirtlichen Gotteshaus vielen Obdachlosen Zuflucht. Mal mit einer Mahlzeit und anderen mit einer Schlafstätte.
Mitch begegnet dem Pastor zunächst skeptisch. Erfährt er doch gleich am Anfang, dass Henry Covington viele Jahre seines Lebens als Drogendealer, Süchtiger und Dieb zubrachte. Erst nach vielen verbrecherischen Jahren – teilweise auch im Gefängnis – betrat Henry den Weg zu Gott und wurde Pastor.
Dennoch lernt Mitch sowohl von Rabbi Albert Lewis als auch Pastor Henry Covington einen neuen Umgang mit seinem Glauben und seiner Religion. Vor Allem aber lernt er etwas über Nächstenliebe die mit Religion überhaupt nichts zu tun hat.
Bewegend und mitreißend
Es gibt zwar viele schöne Bücher die mich fesseln, aber es gibt nur wenige die mich wirklich bewegen. „Damit ihr mich nicht vergesset“ gehört zu letzteren. Dieser Bericht über zwei Männer – insbesondere aber über Rabbi Albert Lewis – hat mich völlig vereinnahmt. Das liegt sicher auch daran, wie mitreißend Mitch Albom schreibt.
Es ist, als säße man als Leser direkt bei diesen beiden Männern, wenn sie sich unterhalten. Als hörte man den Rabbi singen und könnte ihn in seiner komischen Kleidung vor sich sehen. Albert Lewis ist einem so nahe, dass man versucht ist, in das Gespräch einzusteigen.
Ich bin nicht religiös, doch ich komme nicht drum herum den Rabbi und auch Henry Covington für ihren tiefen Glauben zu bewundern. Und dennoch wollen beide nicht bekehren, sondern einfach ihren Glauben für sich leben und anderen helfen.
Immer wieder habe ich beim Lesen festgestellt, dass ich ein Schmunzeln oder Lächeln auf den Lippen trug. Und es war schmerzlich von Alberts gesundheitlichen Problemen zu lesen. Ganz zu schweigen von seinem unvermeidlichen Tod, der mir die Tränen in die Augen trieb. Der Tod des alten Rabbi Albert Lewis war wie ein persönlicher Verlust – auch wenn das völlig albern klingt. Und doch freut es mich, dass Mitch Albom mit seinem Buch über diesen außergewöhnlichen Mann dazu beträgt, das Albert noch lange nicht vergessen wird und so schnell keinen „zweiten Tod“ stirbt.
Und wer es noch nicht erraten hat: ja, ich empfehle dieses Buch. Kauft es und lasst Euch mitreißen und berühren.
Autorenporträt
Mitch Albom begeisterte mit seinen Büchern »Dienstags bei Morrie« und »Die fünf Menschen, die dir im Himmel begegnen« weltweit unzählige Leserinnen und Leser. Seine Bücher wurden in 36 Sprachen übersetzt und waren Nummer-1-Bestseller. Er lebt mit seiner Frau Janine in Detroit.
Buchinfo
“Damit ihr mich nicht vergesst – Die wahre Geschichte eines letzten Wunsches“ von Mitch Albom, erschienen Oktober 2010 bei Goldmann, Taschenbuch: Broschur, 304 Seiten, € 8,99, ISBN: 978-3-442-47497-4
eBook: € 7,99, ISBN: 978-3-641-05082-5
Quellen
Bild: www.randomhouse.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne