Christian Seltmann: Where the fuck is the Führer?

Zu Gast in einer fremden Stadt, ist es eigentlich nie eine schlechte Idee, eine Stadtrundfahrt oder eine geführte Tour zu machen, um das Pflaster kennenzulernen. In jeder größeren Stadt gibt es da entsprechende Angebote zu Fuß, im Bus, in einer Kutsche, in einem besonderen Auto, mit dem Fahrrad oder inzwischen auch per Segway. Dazu gehört immer jemand, der etwas zur Stadt, ihrer Geschichte und ihren Sehenswürdigkeiten erzählt: ein Guide. Christian Seltmann ist so ein Guide und arbeitet in Berlin.

_Where the fuck ist the Führer1Seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller zu verdienen klappt nicht besonders gut, wie Christian Seltmann feststellt. Sein Roman will einfach nicht richtig fertig werden. Es muss eine Alternative her, um das tägliche Brötchen zu sichern. Christian heuert also als Guide – oder auch Fremdenführer – an. Sein Arbeitgeber bietet verschiedene Touren mit dem Fahrrad und dem Segway an. Jede Tour dauert 3-4 Stunden, es ist also Kondition gefordert. Auch bzw. erst recht beim Segway-fahren, weil man ja die ganze Zeit stehen muss.
Dabei gibt es immer wieder kurioses zu erleben. Nicht nur mit den Kollegen, sondern natürlich hauptsächlich mit den Tourteilnehmern. Die sind so unterschiedlich, dass die Touren von unerträglich bis spitzenmäßig laufen. Viele sind ehrlich interessiert und aufmerksam. Aber es gibt auch Klugscheisser und Nörgler und Leute die sich überschätzen. Sei das was ihr Wissen angeht, ihre Sprachkenntnisse oder ihre Kondition.
Die Touris werden nach Länderzugehörigkeit kategorisiert. Wer gibt zum Beispiel am ehesten Trinkgeld?! Wer fragt ständig nach DEM Führer?
Es gibt einen Einblick in die psychologischen Tricks des Guides. Wie er sich beispielsweise unschlüssige Kunden zur Tourteilnehmern macht. Wie er mit speziellem Auftreten so manchem Besserwisser den Wind aus den Segeln nimmt. Wie er sich mit guten Taten das Wohlwollen seiner Teilnehmer sichert. Dass er zum Beispiel auch eine „ganz besondere“ Tour verspricht, um dann doch das Standardprogramm abzuspulen.

Nun schrecke ich vor Führungen zurück

Ich habe bisher noch nicht an vielen Stadtführungen teilgenommen. Wenn dann meist in einem Bus, mit einer Stimme vom Band oder dem erzählenden Busfahrer. Nach der Lektüre von Christian Seltmann schrecke ich nun irgendwie erst recht vor Führungen mit einem Guide zurück. Zum Einen klingen gerade die psychologischen Tricks und Kniffe schon recht manipulativ. Zum Anderen habe ich mich automatisch gefragt, in welche (unschöne) Kategorie ich bei einem Guide falle. Ich stelle nun mal gern Fragen – und da ist auch die ein oder andere dumme bzw. für andere irrelevante dabei.
Grundsätzlich ist das Buch unterhaltsam. Viele Episoden geben wahre Begebenheiten wieder. Mal positive und dann wieder negative. Es gibt ein paar schöne Hintergrundinfos generell zum Guide-Dasein und ein paar weniger schöne, weil traurige Informationen zu den Schattenseiten der Hauptstadt.
Mein Eindruck vom Buch ist durchwachsen. Es ist nett und interessant. Wer mehr über Berlin erfahren will oder vor hat dorthin zu reisen, der ist sicherlich nicht schlecht bedient mit dem Buch.

 

Autorenporträt
Christian Seltmann, geboren 1968, floh in den 90ern aus Westdeutschland nach Ost-Berlin und schlug sich als Übersetzer, Fernsehredakteur, Rocksänger, Producer, Matratzenauslieferer, Rettungssanitäter und Drehbuchautor durch. Er war jahrelang Touristen-Guide und hat zudem Geschichte studiert (als es die DDR noch gab).

Buchinfo
„Where the fuck is the Führer? Als Touri-Guide in Berlin“ von Christian Seltmann, erschienen im August 2015 bei Ullstein
Taschenbuch: 256 Seiten, € 9,99, ISBN-13 9783548375816
eBook: 256 Seiten, € 8,99, ISBN-13 9783843711135

Quellen
Bild: www.ullsteinbuchverlage.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne

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