„Letzte Einkehr“ setzt sich aus Tagebuchaufzeichnungen in verschiedener Form und Aufmachung zusammen. Kertesz berichtet aus seinem Leben mal selbst und mal in Form eines ominösen B. oder Dr. Sonderberg. Ein Buch wie ein Dickicht durch das man sich kämpfen muss.
Das Buch besteht aus 4 Teilen. Es beginnt mit den Tagebuchaufzeichnungen des Autors aus den Jahren 2001 bis 2009. Im zweiten Teil gibt es den sogenannten ersten Anlauf zu „Die letzte Einkehr“. Dies sind ebenfalls Tagebuchaufzeichnungen, die denen aus Teil 1 zwar ähneln, jedoch aus der Perspektive eines unbekannten B. vorgestellt werden. Anschließend folgen erneut persönliche Aufzeichnungen des Autors um schließlich mit dem zweiten Anlauf zu „Die letzte Einkehr“ in Teil 4 abzuschließen. Dieser hebt sich von den anderen Teilen insofern ab, als es kein Tagebuchstil ist, sondern ein scheinbar endloser Monolog eines Dr. Sonderberg.
Die persönlichen Aufzeichnungen von Imre Kertesz zeigen seinen Alltag als Schriftsteller. Wie er mit sich kämpft, mit seiner Arbeit, mit seinem Alter, seinem Leben. Er pendelt zwischen dem ungeliebten Budapest und der Wahlheimat Berlin. Als er den Literaturnobelpreis erhält, ist er wenig begeistert. Fortan beherrschen Termine sein Leben. Interviews, Lesungen, Einladungen zu Empfängen, Preisverleihungen, etc. Immer wieder reisen er und seine Frau durch Europa. Immer wieder trübe, depressive Gedanken, zum eigenen Leben, zum Zustand der Gesellschaft und vor allem zu Ungarn, seinem Heimatland. Kertesz leidet unter seiner Krankheit, unter Schlaflosigkeit und widerstreitenden Gefühlen seiner aktuellen Arbeit gegenüber. Er hadert mit sich wie er „Die letzte Einkehr“ gestalten soll.
Im Anschluss gibt es außerdem einige Anmerkungen und Erläuterungen zu im Text erwähnten Personen und Orten.
Mir fielen die Augen zu
Ähnlich wie bei Reich-Ranicki fragte ich mich: Wer bin ich schon, dass ich einen Literaturnobelpreisträger beurteilen darf? Dabei ist es als Leser mein gutes Recht meine Meinung zu sagen. Möglicherweise habe ich das Buch nicht verstanden, vielleicht bin ich ihm nicht gewachsen.
Ich fand es ganz ganz schwer und schrecklich trübsinnig. Es erinnert mich an ein Dickicht durch das man sich ermüdend schlagen muss. Mir sind mehrfach dabei die Augen zugefallen. Andererseits: würde man die Tagebücher anderer Menschen lesen, wären die wohl ähnlich trübsinnig und noch langweiliger, weil die (vermutlich) nicht so viel rumkommen würden.
Abgesehen vom Inhalt, der mich teilweise ganz schön verwirrt hat, fand ich es nicht gut (= blöd), dass die Einträge nicht mit Daten und Orten versehen waren. Wenigstens eine grobe Angabe in welchem Monat oder Jahr wir uns befinden wäre schick gewesen. Wenn Kertesz selbst auch oft Orte dazu schreibt, wenn sie auf Reisen waren, so ist manchmal nicht erkennbar, wann er in Berlin und wann in Budapest ist. Es wird überhaupt vorausgesetzt, dass der Leser weiß, dass der Autor in beiden Städten eine Wohnung hat.
Es hätte ebenfalls kenntlich gemacht werden sollen, dass es am Ende des Buches Anmerkungen und Erläuterungen zu Personen und Orten sowie Auszeichnungen gibt. Das ist lediglich aus der Inhaltsangabe ersichtlich – die am Ende des Buches, nach den Anmerkungen, auftaucht. Ich lese nun mal kein Buch von hinten! Die Inhaltsangabe gehört für mich nach vorne. Und entweder gibt es Fußnoten oder es ist anderweitig deutlich, dass es zu bestimmten Namen noch Infos gibt.
So sehr ich „Roman eines Schicksalslosen“ von Kertesz liebe und davon nach wie vor schwer beeindruckt bin, so unverständlich ist mir „Letzte Einkehr“. Ich kann damit leider gar nichts anfangen.
Hier gehts zur Rezension von „Roman eines Schicksallosen„
Autorenporträt
Imre Kertész, 1929 in Budapest geboren, wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. Nach Kriegsende arbeitete er zunächst als Journalist, ab 1953 dann als freier Schriftsteller und Übersetzer in Budapest. Mit seinem Roman eines Schicksallosen, 1975 in Ungarn veröffentlicht, gelangte er nach der europäischen Wende zu weltweitem Ruhm. 2002 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Imre Kertész lebt in Budapest und Berlin.
Buchinfo
„Letzte Einkehr. Ein Tagebuchroman“ von Imre Kertész, erschienen Februar 2015 bei rororo
Hardcover: 464 Seiten, € 24,95, ISBN 978-3-498-03562-4
Taschenbuch: 352 Seiten, € 10,99, ISBN 978-3-499-26910-3
eBook: 352 Seiten, € 9,49, ISBN 978-3-644-55061-2
Quellen
Bild: www.rowohlt.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne