Soll Thomas Mann sich offen gegen das Nazi-Regime stellen? Oder soll er weiterhin stillschweigend im Exil verharren und hoffen, dass der Alptraum bald ein Ende hat? Britta Böhler zeichnet in „Der Brief des Zauberers“ einen tagelang andauernden Kampf des Schriftstellers mit sich und seinem Gewissen.
Schweiz 1936: Gerade hat Thomas Mann einen offenen Brief an einen Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung übergeben. In diesem stellt Mann sich offen gegen das Nazi-Regime in Deutschland. In den folgenden Stunden und Tagen wird er mit sich ringen, ob er diesen Brief tatsächlich veröffentlicht sehen will. Bedeutet das doch, dass unter Hitlers Herrschaft seine Bücher in Deutschland verboten werden und er selbst keinen Fuß mehr auf deutschen Boden wird setzen können.
Bereits seit mehreren Jahren lebt der bekannte deutsche Schriftsteller im Exil. Während eines Skiurlaub in Arosa im Jahr 1933 übernimmt Hitler in Deutschland die Macht. Manns Kinder Erika und Klaus warnen den Vater eindringlich vor einer Rückkehr nach München. Auf den Literaturnobelpreisträger wartet ein Schutzhaftbefehl.
Monatelang zieht die Familie immer wieder um, bis sie schließlich ein Haus in der Nähe von Zürich mietet. Dort können sie sich mit einigen wenigen Möbeln, die der Razzia in Manns Münchner Villa entgangen sind, neu einrichten.
Thomas Mann fühlt sich heimatlos, er sehnt sich nach Deutschland, nach München. Er hofft inständig, dass die Bevölkerung bald zu Verstand kommt und Hitler seine Macht verliert. Noch sind seine Bücher in Deutschland erlaubt und bringen Geld ein. Denn bisher hat Mann sich noch nicht offen gegen das Regime ausgesprochen. Sollte er das tun, wird er vollends mit Deutschland brechen müssen.
Ein solides Debüt
Vor der Lektüre schwankte ich zwischen Neugier und Furcht. Ein Buch über Thomas Mann zu lesen schien mir zunächst interessant. Aber würde es eine ähnlich trockene Erfahrung mit inneren Ergüssen sein wie die kürzlich gelesenen Tagebücher von Imre Kertesz?
Britta Böhler hat das aber ganz gut hinbekommen. Man merkt schon, ich verfalle nicht in Freudentaumel. *g* Das Buch beschreibt im Grunde lediglich drei Tage im Leben von Thomas Mann. In diesen drei Tagen macht er sich Gedanken, ob er den Brief mit seinem Statement gegen die Nazis veröffentlichen soll oder nicht. Drei Tage voller innerer Monologe und Überlegungen. Glücklicherweise baut Böhler geschickt die Geschichte mit ein, wie die Manns ins Exil gelangten. Dabei hatte ich mitunter Schwierigkeiten Gegenwart und Vergangenheit auseinander zu halten, aber das mag ein wenig der Unaufmerksamkeit durch Hitzeeinfluss geschuldet gewesen sein.
Das Buch ist durchaus kurzweilig und gut geschrieben. Wer sich bisher mit Thomas Mann gar nicht auskennt, der sollte sich vorher über die Familienverhältnisse informieren. Da wäre evtl. auch eine kurze Info im Buch nicht verkehrt. Zumal die Kinder teilweise mit abgekürzten oder ganz anderen Namen gerufen werden. Das stiftet etwas Verwirrung. Gut finde ich am Ende des Buches die zusätzlichen Informationen zum Exil der Familie Mann.
Das Debüt von Britta Böhler ist solide. Wer mich gezielt nach Thomas Mann fragen würde, dem würde ich das Buch empfehlen. Ansonsten vermute ich, ist es eher rasch aus meinem Gedächtnis verschwunden.
Autorenporträt
Britta Böhler wurde 1960 in Freiburg geboren. Sie arbeitete in Amsterdam als Rechtsanwältin und saß im Oberhaus des niederländischen Parlaments. Zu ihren Mandanten gehören der PKK-Chef Abdullah Öcalan, Ayaan Hirsi Ali und der Attentäter Pim Fortuyns. Sie war mit einer Reihe von Terrorismus- und Geheimdienstfällen befasst. Neben ihrer juristischen Arbeit beschäftigt sie sich intensiv mit Thomas Manns Schreiben und Leben. »Der Brief des Zauberers« ist ihr literarisches Debüt.
Buchinfo
„Der Brief des Zauberers“ von Britta Böhler, erschienen bei Aufbau Taschenbuch
Taschenbuch: Broschur, 224 Seiten, € 9,99, ISBN: 978-3-7466-3142-4
eBook: Format: epub, Mobi, € 7,99, ISBN: 9783841207388
Quellen
Bild: www.aufbau-verlag.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne