Eine Suchanzeige in einer Zeitung erregt Patrick Modianos Aufmerksamkeit. Dora Bruder, ein 15jähriges Mädchen aus Paris, wird vermisst. Obwohl – oder gerade weil? – die Zeitung alt ist und die Anzeige vom Dezember 1941 datiert, lässt sie den Autor nicht los. Über ein Jahrzehnt hinweg folgt er den Spuren des Mädchens und auch ihrer Familie.
»Paris
Gesucht wird ein junges Mädchen, Dora Bruder, 15 Jahre alt, 1,55m, ovales Gesicht, graubraune Augen, sportlicher grauer Mantel, weinroter Pullover, dunkelblauer Rock und Hut, braune sportliche Schuhe. Hinweise erbeten an Monsieur und Madame Bruder,41 Boulevard Ornano, Paris.«
So lautet die Anzeige die Patrick Modiano 1988 liest. Die Zeitung in der diese Suchanzeige steht ist vom 31. Dezember 1941. Sie beschäftigt ihn so sehr, dass er sich auf die Suche nach Dora Bruder und ihrer Geschichte macht. Was kann er nach dieser langen Zeit noch finden über das Mädchen?
Modiano stößt in alten Akten und Archiven tatsächlich auf den Namen Dora Bruder. Nicht genug, um ihre Geschichte vollständig zu rekonstruieren. Aber doch einige Puzzleteile, die ihn weiter führen.
In Paris wandelt er auf den vermeintlichen Wegen des Mädchens. Er besucht den Ort an dem sie und ihre Eltern lebten, das Pensionat, in dem Dora untergebracht wurde, die Polizeistation und das Gefängnis in das man sie verbrachte.
Und während er sich Gedanken macht, warum das Mädchen weglief, wo es sich versteckt hielt, wann, warum und wie es wieder bei den Eltern ankam, erzählt er einen Teil seiner eigenen Geschichte. Dass gerade geographisch sein Weg immer wieder den ihren kreuzte, dass er Menschen traf, die sie gekannt haben könnten, als er von ihrer Existenz noch nichts ahnte. Die Momente, in denen sich Vergangenheit und Gegenwart trafen.
Seine Suche nach Dora Bruder, stößt ihn auf weitere Namen, deren Spur sich in der Geschichte verliert. Menschen und Namen, die Doras Schicksal teilen, die dem Vergessen anheimfielen, weil Fanatiker ihren Tod wollten.
Aus dem Vergessen ans Licht
Ich finde, das ist ein ganz spannendes Buch. Als würde man den Autor bei der Recherche begleiten.
Es ist interessant zu lesen, was alles Patrick Modiano über das Mädchen, das vor so vielen Jahren in Paris lebte herausgefunden hat. Aber auch traurig, dass es so große Lücken gibt und man nie die ganze Geschichte erfahren kann. Eine berührende Lektüre, weil Modiano nicht nur Dora Bruder, sondern auch ihre Familie und Menschen die ihren Weg kreuzten aus dem Vergessen ans Licht holt.
Auch die Parallelen, die Modiano zu seinem eigenen Leben in Paris zieht, sind bewegend.
Mein erstes Buch von einem Literaturnobelpreisträger und ich bin sehr beeindruckt. Obwohl ich französische Bücher meistens als recht schwer zu lesende Lektüre empfinde und der Nobelpreis irgendwie noch mal einen draufsetzt an Anspruch, war ich positiv überrascht. Ja, die vielen französischen Straßennamen die Modiano dem Leser da teilweise um die Ohren haut, sind für einen Nicht-Pariser schwer zu verdauen. Es ist trotzdem ein lohnendes Buch und ich freue mich auf die anderen Bücher von Patrick Modiano, die noch in meinem Regal warten.
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Autorenporträt
Patrick Modiano, 1945 geboren, ist einer der bedeutendsten französischen Schriftsteller der Gegenwart. Er erhielt zahlreiche Auszeichungen, darunter den großen Romanpreis der Académie française und den Prix Goncourt. 2012 wurde ihm der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur verliehen und 2014 der Nobelpreis für Literatur.
Buchinfo
„Dora Bruder“ von Patrick Modiano, erschienen Januar 2013 bei dtv, Taschenbuch, 160 Seiten, € 9,90, ISBN 978-3-423-14182-6
Quellen
Bild: www.dtv.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
Ich lese auch gerade eins von Modiano, und ich liebe es!
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