Sobald Orkney in Sicht kommt, trauen sich auch wieder mehr Menschen an Deck. Die Begrüssung übernehmen ein paar Sonnenstrahlen und die Verteidigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Vereinzelt sind Häuser zu erkennen, ansonsten ist es grün auf der Schottischen Inselgruppe.
Wir landen in St. Margarets Hope an. Zunächst reihe ich mich in den Autokorso ein, der die Fähre verlässt und in Richtung Mainland fährt. Die Straße verbindet mehrere kleinere Inseln und ich möchte ziemlich weit in den Norden.
Schon im Vorfeld habe ich von Scapa Flow gehört: ein ehemaliger Flottenstützpunkt der Briten. Nach dem Waffenstillstand im Großen Krieg wurden mehr als 70 Schiffe der deutschen Hochseeflotte in dem Naturhafen interniert. Damit die Schiffe nicht in die Hände der Briten fallen, gab man den Befehl zur Selbstversenkung. Ein Großteil der Schiffe versank auf Nimmerwiedersehen. Einige jedoch liegen so, dass je nach Wasserstand ein Teil zu sehen ist.
Mein Gedanke dazu war nur „Super, rostige Schiffe im Wasser. Was ist daran denn interessant, wenn man nicht gerade Taucher ist?!“ Ich täuschte mich gewaltig. Wetter und Gezeiten wollten mir wohl auch den bestmöglichen Eindruck verschaffen: Die Sonne scheint als ich über eine Hügelkuppe fahre und den ersten Blick auf Scapa Flow richte. Was ich sehe ist tatsächlich spektakulär. Aus dem Meer ragt ein recht großer Teil des Rumpfes eines Schiffes. Es liegt auf der Seite und ist natürlich braun und schwarz von Rost. Das Sonnenlicht fängt sich wohl in einigen Wassertropfen, die das Ungetüm bedecken, denn es glitzert an manchen Stellen. Weiter hinten sind mehr Überreste anderer Schiffe zu sehen – Takelagen oder ähnliches. Als Laie kann ich das nicht zuordnen. Mir bleibt trotzdem der Mund offen stehen. Da ich mich noch immer im Autokorso befinde, kann ich hier nicht einfach ausscheren und am Straßenrand stehen bleiben. Aber ich werde wieder kommen und Wahnsinnsbilder machen.
Zunächst geht es weiter in den Norden von Mainland. Ich fahre nach Stromness, wo es ebenfalls einen Hafen gibt. Dort wäre ich angelangt, wenn ich die Fähre von Thurso genommen hätte. Und von dort könnte ich nach Hoy übersetzen, wo ich einen Felsen mit ganz vielen brütenden Puffins zu beobachten gedachte. In diesem Fall begrabe ich diesen Plan jedoch, da ich nun doch mal ein wenig an meine Urlaubskasse denken muss. Die Übernachtungen sind teurer als gedacht. Und die Fährüberfahrten mit Auto kosten richtig Kohle. Ich tröste mich damit, dass ich ja bereits Puffins gesehen habe.
Die angepriesenen Sehenswürdigkeiten wie „Standing Stones of Stennes“ und „Ring of Brodgar“ lasse ich links liegen und fahre zum Marwick Head, einem Naturreservat. Dies ist der nördlichste Ort an dem ich mich im Urlaub aufhalte. Es ist auch recht ungemütlich hier. Ich halte an der Küste und versuche einen Spaziergang. Das Wetter ist rau, der Wind weht kräftig und sprüht die Gischt auf Land und Mensch. In der Bucht bestehen Strand und Boden aus natürlichen Steinplatten die mehr oder weniger schräg aus dem Wasser ragen. In steten kraftvollen Wellen schlägt das Meer auf die Platten und hat sie ganz glatt geschliffen. Eine Entenfamilie sucht im Rücken einer dieser höheren Platten etwas Schutz.
Himmel und Meer tragen die gleiche Farbe. Meinen Spaziergang breche ich ab. Dank des starken Windes treibt es mir Tränen in die Augen. Und meine Sonnenbrille ist wenig hilfreich, da sie von der aufgewirbelten Gischt ebenfalls nass ist. Ich verwerfe also auch den Plan zum Sandsteinfelsen zu laufen, wo unzählige Seevögel nisten sollen.
Die größte Stadt auf Mainland ist Kirkwall. Im örtlichen Touristenzentrum darf ich beim Fährhafen anrufen, um mir einen Platz auf der ersten Fähre am nächsten Morgen zu sichern. Bescheuerterweise bin ich stolz auf mich, dass ich mich telefonisch mit meinem Englisch gut verständlich machen konnte.
Ich bummele etwas durch die kleine Stadt, gönne mir auch einen Kaffee in einem Bistro. Als Souvenir kaufe ich mir einen großen Packen Wolle, um mir zu Hause meine ganz persönliche Urlaubserinnerung zu stricken. Recht früh lange ich am örtlichen Hostel an und kann sogar ein Einzelzimmer ergattern.
Mit der freundlichen Frau an der Rezeption komme ich ins Gespräch. Sie erklärt mir, wie lange ich etwa bis zur Fähre brauche. Und sie gibt mir eine Übersichtskarte von Orkney, wo neben den Sehenswürdigkeiten auch die Sichtungsplätze von Robben eingezeichnet sind.
Das Wetter ist inzwischen besser. Die Sonne setzt sich am Abend durch. Mein Abendessen besteht aus einer 5-Minuten-Terrine und es ist erst 19.00 Uhr. Ich beschließe also, noch einen oder zwei der Robbenplätze aufzusuchen.
Es wird ein unvergesslicher Abend. Von dem ich im nächsten Teil berichte.
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