Gleich nach meinem Entschluss es ruhiger angehen zu lassen, gondele ich über eine einsame unbefestigte Straße zu einem Leuchtturm. Dieser wird vom Reiseführer empfohlen. Warum ist mir im Nachhinein schon schleierhaft. Es ist ein Leuchtturm. Nicht sonderlich groß. Die Küste an der er steht, ist durchaus schön, aber irgendwie auch nicht überragend. Außerdem ist der Leuchtturm unbemannt und geschlossen – und ich muss ganz dringend aufs Klo. Letzteres lässt sich dann doch irgendwie lösen. Ich laufe schließlich einmal um den Leuchtturm drum rum und fahre dann weiter.
Die nächsten Stunden eiere ich zufrieden über autoleere Straßen, genieße die großartige Landschaft. Ausgerechnet auf einer größeren Straße passiert, was ich mir erhofft habe: nein, keine Robben! Aber zwei große Hirsche queren meinen Weg. Sie laufen vor mir über die Straße und bleiben sogar am Hang am Straßenrand stehen.
Ich bleibe stehen und fummele meine Digicam vom Beifahrersitz. Bis ich jedoch die Kamera im Anschlag habe, ist Hirsch Nr. 1 schon nicht mehr zu sehen. Immerhin Nr. 2 steht noch da und wartet mehr oder minder geduldig, bis ich mein verwackeltes Foto gemacht habe.
Da ich an einer echt ungünstigen Stelle stehe, fahre ich ein Stück weiter und halte nochmals am Straßenrand. Ich erklimme den Hügel, was recht beschwerlich ist. Hier wächst nämlich Wollgras. Ich kriege also wieder feuchte Füsse. Die Hirsche sind natürlich längst sonstwo. Ich kann sie nicht mehr entdecken.
Auf den nächsten Meilen fräst sich ein fettes glückliches Grinsen in mein Gesicht. Ich bin total aufgedreht von dieser Begegnung. Die Freude wird erst etwas getrübt, als ich in Dundee ankomme. Das ist ein kleiner einsamer Ort an der Nordküste Schottlands – sozusagen am Arsch der Welt. Hier gibt es ein paar Häuser, einen großen Campingplatz, ein schickes Hotel und ein sogenanntes Bunkhouse. Ich werde in letzterem einquartiert. Das Bunkhouse ist ein Hostel. Ich bin zwar froh, überhaupt ein Bett zu haben. Es ist jedoch schon etwas befremdlich und gewöhnungsbedürftig, wenn man mit sieben wildfremden Menschen unterschiedlichen Geschlechts in einem Raum nächtigen soll. Seit meinem Schulaufenthalt habe ich nicht mehr in einer Jugendherberge genächtigt – und etwas anderes ist so ein Hostel letztendlich ja nicht.
Ich gehe im einzigen Lokal im Ort essen. Da Hochbetrieb herrscht, warte ich im angeschlossenen Pub darauf, dass man mich ruft, wenn ein Tisch frei wird. Der Barkeeper sieht mich schief an, als ich tatsächlich einen Jack Daniels mit Cola ordere. Die einzelnen Bestandteile bekomme ich aber trotzdem. Was den schottischen Single Malt angeht, weiß ich halt noch nicht was mir schmeckt.
Mein heutiges Abendessen besteht aus einem Stew und der Nachtisch ist wieder ein klebrig-süsser Sticky-Toffee-Pudding. Es ist noch immer komisch, allein in einem Restaurant zu essen. Dementsprechend zögere ich meine Anwesenheit nicht hinaus. Der Rest des Abends fällt denn auch unaufgeregt aus: etwas lesen, Duschen, schlafen gehen.
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