Heute möchte Nina aka Libromanie wissen, welches das abgefahrenste Buch ist, dass ich je gelesen habe.
Das ist insofern eine doofe Frage, weil es für einen Bücherwurm in den seltensten Fällen eine ganz klare Antwort auf Fragen gibt wie: „Welches ist das beste/blödeste/skurrilste/lustigste/traurigste/etc.pp. Buch, dass du je gelesen hast?“ Wir sind hier ja nicht beim Highlander und es kann einfach nicht nur Einen oder in dem Fall Eines geben.
Deswegen gibt es von mir die drei Bücher, die mir als erstes eingefallen sind zu der Frage. Im Übrigen interpretiere ich „abgefahren“ in diesem Fall als äußerst ungewöhnlich, überraschend, sehr erschreckend und/oder äußerst unterhaltsam – also in irgendeiner Art und Weise extrem, ein Buch bei dem ich immer wieder dachte „What the Fuck?????!!!!!“ Immerhin sind meine drei Favoriten aus verschiedenen Genres. Genren??? Gengri??? Keine Ahnung. Die Mehrzahl von Genre müsste ich wissen, oder? Egal.
Also, in der Kategorie Fantasy gewinnt den Preis für das abgefahrenste Buch…. „Götterdämmerung“ von Sven Böttcher.
Zeus ist der Meinung, die Weltbevölkerung ehre die Götter nicht mehr anständig und verdient damit eine Lektion. Er schickt ein paar Blitze los, die so einiges auf der Raum-Zeit-Achse durcheinander bringt. Neandertaler finden sich in einer Bekleidungsboutique wieder, Geschäftsmänner bei König Ludwig XIV. und Wikinger in der Schadensregulierung einer Versicherung.
Als die Asen das mitbekommen, finden sie, nicht nur die Griechen verdienen Aufmerksamkeit und stiften zusätzlich Verwirrung. Da einst der Apfel als göttliches Zeichen galt, schickt Odin davon ein paar auf die Erde. Da sitzt dann plötzlich nicht mehr Prinzessin Gwenyfaar neben ihrem Gatten, sondern es liegt ein Haufen Äpfel da. (Ein Bild bei dem ich heute noch in Gelächter ausbreche.)
Die Rettungsmission obliegt drei – warum auch immer – Auserwählten aus verschiedenen Zeiten: einem Zauberer, einem Kühlfachmonteur und einem Privatdetektiv.
Ein herrlich groteskes Buch. Ich habe so viel gelacht. Mit Tränen in den Augen denke ich – neben der Apfelszene – noch heute an die Wikinger, die bei der Versicherung plötzlich Schadensfälle bearbeiten und dem bisher immer vertrösteten Versicherten einfach sagen „Du gehörst zu unserem Stamm? Dann komm vorbei und hol dir dein Geld.“
In der Kategorie Krimi gewinnt den Preis für das abgefahrenste Buch eindeutig „Das 13. Opfer“ von Stuart Macbride.
Der schottische Polizist Ash Henderson muss eine Mordserie aufklären. Das perfide daran ist: Die Opfer sind erst ein Jahr später als solche zu erkennen. Der Täter entführt die Mädchen an oder kurz vor ihrem 13. Geburtstag. Es werden keine Leichen gefunden. Erst im darauf folgenden Jahr beginnt das Drama richtig: Der Täter schickt fortan zu jedem Geburtstag den Eltern eine Karte mit einem Foto ihrer gefolterten Tochter. Auch Ash ist betroffen. Doch weiß das niemand, da er sonst sofort von dem Fall abgezogen würde. Als einige Leichen der bisher vermissten Mädchen gefunden werden, kommt Schwung in die Ermittlungen.
Ash bekommt eine junge Psychologin zur Seite gestellt. Die hat aber selber ziemlich einen an der Waffel. Gemeinsam versuchen sie irgendwie dem Täter auf die Spur zu kommen.
Das Buch ist eine Gewaltorgie sondergleichen. Polizisten verprügeln Verdächtige, dann wird der Ermittler selbst wieder vermöbelt bis zur Unkenntlichkeit. Ganz zu schweigen von den brutalen Mordmethoden des gesuchten Mörders. Ständig blieb mir der Mund offen stehen ob so viel roher Gewalt, Selbstjustiz und Unbeherrschtheit. Und trotzdem hebt Ash sich für mich von all den Ermittlern ab, die zwar ein wenig unangepasst sind und ihre Macken haben, aber dennoch sympathisch sind. Ash ist ein Arschloch und das wird auch nicht beschönigt.
Ein Buch, bei dem ich immer wieder mit vor Staunen offenem Mund da saß und die Augen aufgerissen habe, ob der ständigen Prügelei. Dennoch kommt auch der Humor nicht zu kurz, der sich gerade im Zusammenspiel von Ermittler und Psychologin ergibt.
So, und last but not least, in der Kategorie Autobiografie gewinnt den Preis für das abgefahrenste Buch: „Mein Leben nach der Todeszelle“ von Damien Echols.
Echols wird als Teenager für einen dreifachen Mord in die Todeszelle geschickt. Die Behörden hatten ihn auf dem Kiecker. Das Geständnis seines geistig zurück gebliebenen Freundes ist die Grundlage für das Urteil. Echols` zwei Freunde bekommen als Mittäter lebenslänglich. Doch nicht mal die Eltern der Opfer glauben an die Schuld der drei Jungen. Der wahre Täter ist sogar bekannt, doch die Justiz will den Fehler nicht eingestehen.
So verbringt Echols 18 Jahre in der Todeszelle und erzählt in seiner Biografie davon. Wie der Knast seine Gesundheit ruiniert hat, wie er zum Glauben fand, welche Unterstützung er hatte, wie er seine jetzige Frau kennenlernte. Und auch wie er durch eine juristische Spitzfindigkeit zwar aus dem Gefängnis entlassen wurde, jedoch noch immer als schuldig gilt. Bis heute kämpft er um Rehabilitierung.
Zu sagen, ich wäre bei der Lektüre erschüttert gewesen, ist noch untertrieben. Was Echols schildert, ist eine Hexenjagd, die einfach unfassbar ist. Dass ein fanatischer Mensch die Möglichkeit hat, drei Leben zu zerstören und dabei Unterstützung durch die Justiz erhält, kann ich noch immer nicht glauben. Die eigentliche Tragödie ist, dass die Justiz ihren Irrtum nach wie vor einfach nicht zugibt! Es wurde und wird vertuscht was das Zeug hält.
Das Buch hat mich schwer beeindruckt. Es hat für mich eindeutig den WTF-Effekt.
krasse Bücher, krasse Begründungen. Todeszellen-Bücher sind immer gruslig…
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