Erst vor wenigen Monaten wurde Thomas Hawkins aus dem berüchtigten Marshalsea-Gefängnis entlassen. Seitdem lebt er mit seiner Liebsten Kitty in sündigen Verhältnissen über einem Buchladen. Doch der junge Gentleman zieht den Ärger magisch an. Kein Jahr nach seiner Entlassung, fährt ihn ein Karren nach Tyburn, wo der Strick auf ihn wartet. Tom rekapituliert die Ereignisse der vergangenen Wochen, um seine Unschuld zu beweisen.
„Den Kopf gegen den Wind gesenkt, eilte ich durch Covent Garden. Die Luft schob mir eisige Finger unter die Kleidung wie ein Dieb auf der Suche nach Münzen.“ (Zitat Seite 62)
Seit einigen Monaten ist Thomas Hawkins wieder ein freier Gentleman. Nach seiner Zeit im Marshalsea-Gefängnis, auch Teufelsloch genannt, versucht er sein Leben nicht mehr so sehr zu vertrödeln beim Spielen und Trinken. Doch mit wenig Erfolg.
Gemeinsam mit seiner großen Liebe Kitty, die er im Marshalsea kennenlernte, lebt er über dem Buchladen, den Kitty geerbt hat. Da die beiden aus gutem Grund nicht verheiratet sind, ist ihr Zusammenleben äußerst skandalös und Toms junge Freundin gilt allgemein als Hure.
Besonders dem Nachbarn Joseph Burden ist das Paar ein Dorn im Auge. Der selbsternannte Wächter von Sitte und Moral führt einen Feldzug gegen den Sündenpfuhl nebenan. Er verunglimpft Tom überall als Mörder und der kann das Gegenteil nicht beweisen. Stattdessen bedroht er im Suff Burden auf offener Straße.
Nur einen Tag später liegt Burden ermordet in seinem Bett.
Damit nicht genug, ist Tom außerdem einen Pakt mit dem einflussreichen Gangster James Fleet eingegangen. Auch diese Beziehung wurde im Marshalsea geknüpft. Raffiniert fädelt Fleet eine Begegnung ein, die Tom unfreiwillig in die Dienste der höchsten britischen Kreise führt. Hier soll er eine Lösung finden, um den Noch-Ehemann der königlichen Mätresse mundtot zu machen. Immer tiefer verstrickt der junge Mann sich in Machenschaften, die ihn nicht interessieren. Sogar seine geliebte Kitty stößt er von sich.
Als er jedoch für den Mord an Burden verhaftet und zum Tode verurteilt wird, kann oder will niemand ihm helfen.
Vollgepackte Story mit viel Liebe und Humor
Ich hätte nicht gedacht, dass mich dieses Wiedersehen so freut. Schon in „Das Teufelsloch“ mochte ich den etwas nichtsnutzigen Tom, der mehr Geld ausgibt als er hat und sich ständig irgendwie in Schwierigkeiten bringt. Der aber dennoch ein reines Herz hat und sehr liebenswert ist. Dass Antonia Hodgson ihn ein weiteres Mal in Erscheinung treten lässt, finde ich schön.
Wie schon der Vorgänger ist auch „Der Galgenvogel“ eine sehr unterhaltsame Lektüre. Hodgson führt mit leichter Schrift durch die vollgepackte Story. Neben den historischen Aspekten kommt die Liebe nicht zu kurz und genügend trockener Humor ist auch vorhanden. Natürlich ist es spannend. Bis zum Schluss fragt man sich, ob Tom tatsächlich am Galgen enden wird. Und wenn nicht, ist die Frage, wie löst Hodgson das auf? Wie glaubwürdig ist das Ende dann?
Btw: Ich bin sehr positiv überrascht von der Lösung.
Die historischen Hintergründe beruhen – wie Hodgson im Anhang anmerkt – wieder auf alten Berichten und Tagebucheinträgen. Von der Recherche her ist die Autorin also kaum zu schlagen. Mir gefällt, dass sie dem Leser mitteilt, was belegt ist und wo sie sich die berühmte schriftstellerische Freiheit genommen hat. Das macht neugierig auf mehr.
Nichtsdestotrotz will ich anmerken, dass ich die Geschichte extrem vollgepackt fand. Den Anhang habe ich so verstanden, dass das Hauptaugenmerk auf dem königlichen Auftrag liegt. Das habe ich beim Lesen aber nicht so empfunden. Für mich stand der Mord an Burden im Fokus. Das allein sind schon zwei starke Geschichten. Dazu kommt Toms widersprüchliches Verhältnis zu James Fleet und dessen Sohn Sam.
All das sorgt dafür, dass Tom keine ruhige Minute hat. Damit kann auch der Leser nicht durchatmen – und das macht mich beim Lesen mitunter ganz kirre. Wenn der Protagonist von einer Scheiße in die andere stolpert, dann wird mir das manchmal einfach zu viel. Hier war es hart an der Grenze. Was mich versöhnt hat, ist die Liebesbeziehung zwischen Tom und Kitty. Obwohl Tom versucht sie außen vor zu lassen, um sie zu schützen, kriegt Kitty doch alles raus und steht ihm letztendlich bei. Bis er ihr das Herz bricht.
Ich empfehle das Buch trotzdem gern weiter. Aufgrund der komplexen Hintergründe und der verzwickten Beziehungen zwischen Tom, Kitty und Fleet, empfehle ich aber zunächst „Das Teufelsloch“ zu lesen. Zum besseren Verständnis.
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Autorenporträt
Antonia Hodgson stammt aus Derby und studierte Englische Literatur in Leeds. Ihr Debüt „Das Teufelsloch“ gewann 2014 den CWA Historical Dagger, den wichtigsten britischen Preis für historische Kriminalromane, und wurde in den USA unter die zehn besten Spannungsromane des Jahres gewählt. Antonia Hodgson lebt in London und arbeitet in der Verlagsbranche.
Buchinfo
„Der Galgenvogel“ von Antonia Hodgson, erschienen bei Knaur HC
Hardcover: 464 Seiten, € 19,99, ISBN: 978-3-426-65346-3
eBook: 464 Seiten, € 14,99, ISBN: 978-3-426-42237-3
Quellen
Bild+Autorenporträt: www.droemer-knaur.de / Text (außer Autorenporträt): Susanne
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