Borneo: Entertainment für Affen und Bären

Montag, 24. April 2017

Die Kurzfassung:
Heute holzen wir den Regenwald ab und schmieren mit Erdnussbutter und Honig rum. Wir verschnüren Rosinen und stopfen Äste in Säcke. Alles zur Unterhaltung der Tiere. Anschließend machen wir einen auf Spanner und gucken zu, wie die Tiere in den Säcken wühlen.
Nachmittags tracken wir mit der deutschen Tierärztin Katrin frei gelassene Tiere und wandern bei Sonne und Hitze durch den Regenwald. Pause am verlassenen Übungsgelände für die jungen Orang Utans. Der Rückweg ist genauso beschwerlich für mich wie der Hinweg. Wo sind nur die Sänftenträger, wenn man sie braucht?
Zurück in Matang Führung hinter die Kulissen: Trostlos, traurig, erschreckend.

 

Und jetzt ausführlich:

Nach einer unruhigen Nacht bin ich erwartungsgemäß früh wach. Zum Frühstück gibt es gebratenen Reis, gekochte Eier, Toastbrot, Erdnussbutter und Instandkaffee. Auf den Reis am frühen Morgen verzichte ich.
Zum Frühstück stößt Tasha zu uns. Sie ist Britin und eine weitere freiwillige Helferin hier. Mit ihr werden wir das sogenannte Enrichment herstellen: das heißt, unsere Bespaßung am Vormittag wird sein, die Bespaßung für die Sonnenbären und Orang Utans herzustellen. Dazu nehmen wir gleich mal die übrigen gekochten Eier mit.
Außerdem erhalten wir die Erlaubnis den Regenwald abzuholzen. Mit Scheren bewaffnet schickt Tasha uns in den Wald, um Äste und Blätter zu besorgen, die wir brauchen. Wir sind ganz schön wählerisch, denn zu dünn dürfen die Äste nicht sein. Sonst benutzen die Affen sie, um die Schlösser zu knacken. Aber schließlich haben wir einen ordentlichen Stapel zusammen und können mit dem Basteln loslegen.

Jutesäcke für die Orang Utans und Hundespielzeug für die Sonnenbären

Für die Sonnenbären wird Hundespielzeug befüllt mit je einem gekochten Ei, sowie Rosinen und Hundepellets, garniert mit einem ordentlichen Schuss Honig. Dann wird das Spielzeug in Jute eingewickelt und ordentlich verschnürt. Soll ja nicht zu einfach sein.
Außerdem gibt es noch Kugeln die an Bowlingkugeln erinnern, aber mehr Löcher haben. In die stopfen wir Blätter und kleine Äste, die wir vorher mit Honig oder Erdnussbutter beschmiert haben. Auch hier kommen in kleine Päckchen verpackte Pellets und Rosinen rein, die die Bären dann rausfummeln sollen.
Für die Orang Utans gibt es große Jutesäcke. Dort stopfen wir ganze Äste und Zweige rein. Aber auch die werden vorher mit Honig und Erdnussbutter garniert. Außerdem packen wir in buntes Papier und bunten Stoff jeweils eine Handvoll Rosinen und Sonnenblumenkerne. Hübsch verschnürt kommen ein oder zwei Päckchen mit in den Sack. Ordentlich zugebunden und fertig.
Zwei Stunden sind wir so beschäftigt. Zwischendurch kommt eine Gruppe asiatische Tagesbesucher und sieht uns gespannt zu. Wie Profis erklären wir auf Englisch was wir da machen. Ich freue mich über die Fragen und das Interesse.

Wir dürfen das Spielzeug gleich den Tieren geben

Als wir fertig sind, kommt unsere Belohnung. Wir dürfen die Spielzeuge gleich an die Empfänger weiter geben. Zuerst die Sonnenbären. Sechs in Jute verschnürte Pakete werfen wir in das Gehege und gleich kommen die Bären angetrottet. In den nächsten Minuten ist nur noch fieberhaftes Kratzen zu hören. Mit ihren riesigen Krallen bearbeiten sie den Stoff. Nach etwa fünf Minuten hat der erste Erfolg. Er legt sich auf den Rücken, hält das Hundespielzeug in den Vordertatzen und leckt genüsslich den Inhalt heraus. Wir freuen uns auf unserem Beobachtungsposten wie kleine Kinder und feuern die anderen Bären an. Nach einigen Streitigkeiten und weiterem hektischen Kratzen, kriegt schließlich jeder sein gekochtes Ei mit Hundepellets und Honig.
Wir ziehen weiter zu Aman und den anderen Orang Utans. Wie es sich gehört bekommt als erstes mein Lieblingsaffe seinen Überraschungssack. Ich habe heute übrigens vorsorglich Taschentücher dabei.

Aman geht ganz behutsam vor

Gespannt beobachten wir wie Aman völlig unaufgeregt zum Sack auf dem Gras schlendert. Ohne Eile fummelt er an dem Strick herum, der den Sack zuhält. Der ist aber schnell entfernt und er fängt an auszupacken. Ganz bedächtig holt er einen nach dem anderen die Zweige aus dem Jutestoff. Er untersucht jeden Zweig akribisch auf mögliche Garnierung und lutscht genüsslich die Erdnussbutter und den Honig von jedem einzelnen Blatt. Dabei benutzt er seine riesigen Hände ganz behutsam und knickt nicht einen Ast ab. Ist er mit einem Zweig fertig legt er ihn beiseite und holt den nächsten hervor.
Irgendwann findet er das Päckchen in dem sich Rosinen und Sonnenblumenkerne verstecken. Er behält es so lange in seiner großen Pranke, bis er mit allen Zweigen fertig ist. Natürlich steckt er auch den Kopf in den Sack, um zu sehen, ob sich da nicht doch noch was verbirgt.
Erst dann öffnet er mühelos das kleine Päckchen, das etwa so groß ist wie meine Handfläche. Er pickt jede Rosine einzeln auf und isst sie. Genauso verfährt er mit den Sonnenblumenkernen. Aman ist hochkonzentriert und lässt sich auch von dem Trubel der inzwischen auf der Plattform herrscht nicht aus der Ruhe bringen. Denn zu uns ist wieder die asiatische Truppe gestoßen, die uns vorher schon beim Basteln zugeschaut hat. Der Wortführer stellt eine Verbindung zwischen dem Namen Aman und dem Wort Amen fest und gibt diese wiederholt lautstark zum Besten.
Sowohl Tasha als auch meine Mitstreiter Regina, Oliver und ich sind still, obwohl wir alle denselben Gedanken haben. Aber es steht uns nicht zu hier jemanden vor den Kopf zu stoßen und zu ermahnen. Auch wenn mir diese Krakelerei mächtig auf den Keks geht.
Aman – was ich für mich inzwischen eher mit dem beeindruckten Ausruf „What a man!“ verbinde – hingegen lässt sich nicht stören und lutscht nun hingebungsvoll an dem Stück Stoff in den die Rosinen eingewickelt waren. Ich muss schmunzeln. Erst recht als er sich nach typischer Affenart, den Jutesack über den Kopf legt.

Konkurrenzkampf bei den Jungaffen

Als wir wieder unter uns sind auf der Beobachtungsplattform atmen wir vier alle auf. Erst dann werfen wir die restlichen Säcke zu den Weibchen und Jungtieren ins Gehege. Dort herrscht deutlich mehr Konkurrenzkampf und vor allem die jungen Orang Utans klauen sich gegenseitig die Beute. Es macht auch hier Spaß zuzusehen, wie die Tiere mit den Geschenken agieren. Später erhalten auch noch die Orang Utan – Männchen Peter und George jeder einen von uns gefüllten Sack. Peter muss seinen durch die Stäbe seines Käfigs hindurch auspacken, weil wir ihn nicht hineingeben können. George ist rabiater und zerrt so lange, bis er den Sack durch das Gitter gezogen hat. Die Öffnung ist gerade mal 10x10cm groß.
Schließlich ist der Vormittag rum und das Mittagessen wartet. Wir müssen uns stärken für die nachmittägliche Wanderung. Schon bald stößt Kathrin zu uns, die uns führen wird. Auch Kalik, der englischsprachige Führer von Regina und Oliver ist mit von der Partie.

Die erste Regenwaldwanderung

Kathrin führt uns in den Regenwald. Der Pfad wird versperrt durch ein Tor mit der Aufschrift Kein Durchgang. Wir gehen also vorbei – 10m weiter, wo der Zaun zu Ende ist und folgen dann weiter dem Trampelpfad. Kathrin zeigt uns wie sie nach bereits ausgewilderten Slow-Loris und Gürteltieren sucht. Dazu packt sie ihr Ortungsgerät aus. In der Nähe können wir tatsächlich zwei Tiere ausmachen. Zu sehen bekommen wir sie aber natürlich nicht. Die Slow-Loris oder auch Plumploris sitzen hoch in den Bäumen, wo wir nicht hinkommen. Aber anhand der Signale kann Kathrin feststellen, ob die Tiere da sind und auch ob sie sich seit dem letzten Mal bewegt haben. Diese Ortung macht sie wohl 2-3 Mal in der Woche.
Auf dem unwegsamen Gelände habe ich ziemlich mit mir zu kämpfen und bin gerade an den Steigungen außer Puste. Na und Schwitzen tu ich sowieso. Doch niemand nörgelt oder treibt mich an. Kathrin gesteht, dass sie das Klima und die Anstrengungen ebenfalls nicht einfach so wegsteckt. Auch ihr stehen Schweißperlen auf der Stirn. Unsere Wanderung führt uns zum Trainingsgelände der Orang Utan-Jungtiere. Aber freilich, trainiert wird hier nicht, weil ja das Personal fehlt.
Kalik klaubt mir einen Blutegel von der Hose. Wenn ich auch nicht die modischen blauen Blutegelstrümpfe angezogen habe, so hab ich immerhin meine Hose in die Socken gesteckt. Ein weiterer Blutegel klebt an meiner Wasserflasche. Nennt mich pingelig, aber auch hier muss Kalik eingreifen und das Vieh entfernen, weil ich es nicht anfassen mag.
Das Trainingsgelände liegt mitten im Regenwald. Holzkonstruktionen stehen hier neben einer kleinen Unterkunft und es sind Taue zwischen den Bäumen gespannt. Das Gelände ist durch einen kleinen Wasserlauf vom Weg zum Matang Zentrum abgeschnitten.

Ein Blick hinter die Kulissen

Wir pausieren etwa 30 Minuten und dann machen wir uns auf den Rückweg. Zurück im Zentrum führt Kathrin uns kurz hinter die Kulissen. Sie erzählt uns noch mehr traurige und schlimme Geschichten über die Schicksale der Gibbons, der Krokodile und Slowloris, die sich hier derzeit aufhalten. Es gibt außerdem verschiedene Makaken, einen großen Leguan und Schildkröten. Kathrin spricht auch über die finanziellen Schwierigkeiten, den Platzmangel, die bürokratischen Probleme und die Korruption, die dafür sorgt, dass nicht alles Geld und erst recht nicht alle Sachspenden vor Ort ankommen. Es ist alles sehr ernüchternd.
Ziemlich fassungslos gehen Regina, Oliver und ich zurück zu unserer Unterkunft. Kathrin muss sich wieder um ihr Orang Utan-Baby kümmern und den kleinen haarlosen Slowloris. Sie stößt später noch einmal zu uns.
Mein Abend nach dem Dinner beschließt sich mit einer Unterhaltung mit meinen Mitstreitern und später mache ich mir endlich Notizen in meinem Reisetagebuch. Da haben sich in den beiden Tagen schon so viele Eindrücke angesammelt, die ich aufschreiben muss. Sonst platzt mir der Kopf.

9 Gedanken zu “Borneo: Entertainment für Affen und Bären

    • Das sagst Du ja lieb, danke. Aber für ein Buch sind meine Erinnerungen und die Urlaubsberichte nicht besonders genug – ich war ja nicht als Backpacker unterwegs sondern in einer organisierten Reisegruppe. Das kauft sich als Buch vermutlich keiner. Trotzdem danke. 😉

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      • Sagen wir mal so, wenn mich ein Verlag anspricht, um meine Reiseberichte als Buch herausbringen zu wollen, werde ich mich selbstverständlich nicht wehren. Aber selbst wenn es kein 08/15 Urlaub ist (auch für mich nicht), so sind denke ich Backpackertouren ohne irgendeine Organisation und mit mehr Abenteuer interessanter. Oder verkaufen sich zumindest besser. *denk*

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      • Es gibt ja unterschiedliche Reiseformen. Mich spricht Deine Version mehr an…. Und ich kann mir gut vorstellen, dass ein Großteil auch eher diese Art des Reisens bevorzugen und gerade deswegen Deine Erfahrungen einfach interessanter finden 😉

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  1. Meine Tochter war ja mal in Uganda bei den Gorillas. Dort waren sie in freier Natur und sie kamen bis auf 3 Meter an sie ran. Es dürfen aber immer nur kleine Gruppen dorthin und ist sehr, sehr teuer. Jedenfalls war sie nachher noch, als sie davon erzählte und Fotos zeigte, total ergriffen.
    Kann ich gut verstehen, daß Du so begeistert bist.

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    • Oh, Uganda und Gorillas sind auch toll. Das interessiert mich auch. Aber ja, die Preise sind auch echt gesalzen. Sehr krass. Ich kann ihre Begeisterung verstehen. 🙂

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