MoFra: Schlechtes Gewissen beim Lesen?

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Der Start in die neue Woche beginnt kühl und ich bin gar nicht so böse drum. Auch wenn der Regen mich gestern tatsächlich ein wenig beim Laufen gestört hat. Aber bei Sonnenschein hätte ich mich wohl gar nicht aufgerafft nach dem Kater den ich hatte. Seis drum. Heute wartet eine neue Montagsfrage. Die stellt allwöchentlich Svenja aka Buchfresserchen. Heute freue ich mich, dass sie eine Frage von mir aufgegriffen hat: Habt Ihr ein schlechtes Gewissen gegenüber Protagonisten, wenn die bspw. hungern müssen und Ihr nebenher futtert?

Entgegen der offenbar vorherrschenden Ansicht der anderen Montagsfragen-Beantworter habe ich tatsächlich mitunter ein schlechtes Gewissen bzw. mache mir darüber Gedanken was ich tue während ich lese. Allerdings bezieht sich der Großteil der anderen Leser auch auf fiktive Geschichten. Da ich viele (Auto)Biografien lese, Tatsachenberichte, Erinnerungen und zeitgeschichtliche Dinge beziehe ich mich eben auf Bücher in denen es um die Realität geht. (Mir wurde allerdings auch schon gesagt, dass ich mich solcher tragischen Sachen auch immer besonders heftig annehme.)
Also ja, besonders  bzw. vor allem, wenn ich tatsachenbasierte Bücher lese, habe ich auch mal ein schlechtes Gewissen. Da ich täglich in der Mittagspause lese, bleibt mir schon mal der Bissen im Halse stecken, wenn der (Auto)Biograf beschreibt, dass er Gras isst oder Baumrinde oder seinen eigenen Urin trinkt, weil nichts anderes da ist und er seit Tagen Hunger hat.
Es ist nicht so, dass ich dann das Essen von mir schiebe. Aber ich denke durchaus darüber nach wie gut es mir geht und wie dankbar ich dafür bin. Dass ich ein Leben im Überfluss führe. Natürlich kann ich für die Person nichts tun von der ich gerade lese. Aber es erinnert mich beispielsweise daran, wann ich das letzte Mal für ein Obdachlosenheim gespendet habe und das es wieder Zeit ist. Oder dass ich weniger Lebensmittel wegwerfen soll, achtsamer mit dem umgehen, was ich besitze.
Das trifft natürlich nicht nur aufs Essen zu, sondern auch wenn die Hauptperson im Buch vielleicht obdachlos ist und ich  allein in meiner 3-Zimmer-Wohnung hocke. Oder wenn jemand gesundheitliche Probleme hat, denke ich darüber nach welches Glück ich habe, dass ich gesund bin. Darüber wie glücklich ich meine Kindheit empfunden habe. Solche Dinge.
Vielleicht ist daher die Frage nach dem schlechten Gewissen falsch gestellt von mir. Denn Empathie empfinden ja die meisten Menschen beim Lesen.
Und natürlich haben alle die Recht, die meinen man sollte eher ein schlechtes Gewissen haben, wenn man all die schrecklichen Nachrichten über Unglücke, Terroranschläge, Gewalttaten und Naturkatastrophen sieht. Gegenüber fiktiven Geschichten und Biografien verstorbener Menschen ist das natürlich aktueller und demnach auch wichtiger.

 

Wie sieht es bei Euch aus? Inwieweit fiebert Ihr beim Lesen mit und habt Ihr auch mal ein schlechtes Gewissen?

12 Gedanken zu “MoFra: Schlechtes Gewissen beim Lesen?

    • Danke. 🙂 Bei all den eher entsetzen Antworten, dachte ich schon bei mir läuft was völlig falsch. Aber viele beziehen sich eben auch auf fiktive Geschichten. Da ist das wohl logisch. 🙂
      Liebe Grüße
      sanne

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  1. Hi Sanne, ach daher weht der Wind. Jetzt erklärt sich der Hintergrund der -auf den ersten Blick- abstrusen Frage. ;o) Gut, bei realen Erzählungen bzw Biografien handelt es sich nochmal um eine ganz andere Sachlage gegenüber fiktiver Unterhaltung. Abgesehen davon, dass ich auch da kein schlechtes Gewissen habe, das wäre einfach der falsche Ausdruck, nehme ich natürlich Anteil an der Situation der Protagonisten und stelle mir auch durchaus beim Lesen vor, wie es mir in den Szenarien erginge, wie ich handeln oder vermutlich fühlen würde. Klaro bin ich froh, nicht an ihrer Stelle zu sein. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich nicht, da ich nicht Verursacher ihrer Not bin. Dafür habe ich meine eigenen Sorgen und Nöte. Und ähnlich wie auch bei Nachrichten und Dokumentationen, kann ich nicht die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern tragen. Es liegt ganz einfach nicht in meinen Händen, das Leid geschriebener Zeilen zu wenden.

    Mein Beitrag :o)

    Liebe Grüße
    Patricia

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    • Hallo Patricia,
      ja, es war etwas schwer den ganzen Sachverhalt in eine Frage zu packen. Und vielleicht hätte ich auch das Beispiel mit dem Hunger weglassen sollen. Das hat offenbar noch zusätzlich verwirrt. *g*
      Das mit der Last auf den Schultern verstehe ich durchaus. Ich bin da vielleicht etwas anfällig, weil es in meinem Leben keine ernsthaften Probleme gibt.
      Liebe Grüße
      Sanne

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  2. Liebe Sanne,

    wie mich ein Buch berührt oder nicht, ob ein Protagonist hungert oder z.B. traurig ist, kommt natürlich auch immer ganz darauf an, ob es sich um eine fiktive Geschichte handelt oder nicht.

    Auch fiktive Geschichten berühren mich oder machen mich betroffen, wütend, traurig usw. und dass ist auch gut so. Aber ein schlechtes Gewissen, wenn ein Protagonist in einer erfundenen Story verhungert, habe ich definitiv nicht.

    Anders ist meine Lese-Situation natürlich, wenn ich weiß dass es sich um eine reale Geschichte handelt. Ich möchte nicht unbedingt sagen, dass ich dann ein schlechtes Gewissen habe, aber ich werde dadurch angestoßen meine eigenen Handlungen im Alltag zu überdenken, um verantwortungsbewusster zu agieren. Diese Reaktion bzw. Haltung halte ich für absolut gesund und wichtig.

    Viele Grüße

    Nisnis

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    • Hallo Nisnis,
      der Begriff des schlechten Gewissens ist offenbar schlecht gewählt. Ich hab ja auch geschrieben, dass ich dadurch auch meine Handlungen und meine Lebenssituation überdenke. Bei fiktiven Büchern ist das nicht so der Fall, aber bei wahren Begebenheiten dann schon.
      Viele Grüße
      sanne

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  3. Liebe Sanne,
    auch ich fand deine Frage keinesfalls merkwürdig. Allerdings interpretiere ich deine Frage eher auch in Punkto Achtsamkeit. Das was ich tue, mache ich bewusst. Essen, Lesen, alles einzeln und bitte nacheinander.
    Deshalb habe ich deine Frage noch ein wenig erweitert, nämlich um die Frage, welche Wichtigkeit oder welchen Stellenwert das Essen für uns hat. Meine Antwort findest du auf vielleserin.de.
    Viele Grüße,
    Marie

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    • Hallo Marie,
      ich gestehe so sehr aufs Essen konzentriere ich mich nicht. Es ist oft mehr Mittel zum Zweck. Das mit dem Hungern in der Frage war ja nur ein Beispiel. Es geht generell um tragische, schlimme Situationen in den Büchern, die einen zum Nachdenken anregen.
      Viele Grüße
      Sanne

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  4. Pingback: [Montagsfrage] Schlechtes Gewissen gegenüber Buchfiguren – Mein Lesezeichen Blog

  5. Hallo Sanne,
    auch ich war etwas verwirrt ab dieser Frage und habe darum ganz gespannt deinen Beitrag dazu gelesen. 🙂 Und ich muss sagen, jetzt verstehe ich besser, was du gemeint hast.
    Allerdings würde ich auch den Begriff des schlechten Gewissens anders wählen. Wir alle fiebern wohl mehr oder weniger mit den Protagonisten einer Geschichte, ob real oder fiktiv sei dahingestellt, mit, leiden und freuen uns mit ihnen. Aber ändern können wir nichts mehr, von dem, was passiert ist. Und Verursacher ihrer Nöte und Ängste sind wir (meistens) aus nicht.
    Aber ich finde es gut, wenn Bücher zum nachdenken und umdenken anregen. Dass sind ja meist auch die Geschichten, die einen irgendwie prägen und hängen bleiben. 🙂
    Herzlich
    Träumerherzchen

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    • Hallo Träumerherzchen,
      danke für Deine Nachricht. Ja, ich gebe zu, die Montagsfrage hätte ich anders formulieren müssen/sollen, dann hätte es vielleicht nicht so viel Irritierung gegeben.
      Liebe Grüße
      Sanne

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